Die anhaltenden Vulkanausbrüche auf Island und ihre Auswirkungen
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Die anhaltenden Vulkanausbrüche auf Island und ihre Auswirkungen

Seit 2019 erlebt Island eine Phase intensiver vulkanischer Aktivität, die die Region um die Hauptstadt Reykjavík und insbesondere die Reykjanes-Halbinsel in den Fokus gerückt hat. Die Erdbebenserie, die in jenem Jahr begann, war ein Vorbote dessen, was kommen sollte: Eine Reihe von Vulkanausbrüchen, die nicht nur das Landschaftsbild verändern, sondern auch die Lebensweise der Einwohner sowie die Infrastruktur des Landes erheblich beeinflussen könnten. Vulkanforscher warnen bereits davor, dass diese Phase noch Jahrzehnte andauern könnte, was immense Herausforderungen mit sich bringt.

Die Erdbebenserie und der Ausbruch des Fagradalsfjall

Alles begann im Winter 2019, als Zehntausende von Erdbeben den Südwesten der Vulkaninsel erschütterten. Reykjavík, die Hauptstadt Islands, erlebte in dieser Zeit eine nie dagewesene Erdbebenaktivität. Die Beben waren so häufig, dass die Erde manchmal im Minutentakt bebte. Dieser Zustand dauerte an, bis es am 19. März 2021 zum Ausbruch des Vulkans Fagradalsfjall kam, der etwa 40 Kilometer südwestlich von Reykjavík liegt. Es war der erste Ausbruch dieses Vulkans seit acht Jahrhunderten.

Der Fagradalsfjall-Ausbruch war zunächst eine relativ ruhige Spalteneruption, die schnell zu einer Attraktion für Einheimische und Touristen wurde. Die Menschen strömten in Scharen herbei, um die zähflüssige Lava aus nächster Nähe zu beobachten. Doch dieser Ausbruch sollte erst der Anfang sein. In den folgenden Jahren brachen auf der Reykjanes-Halbinsel weitere Vulkane aus, die das Gebiet in eine nahezu ständige vulkanische Aktivität versetzten.

Die tektonische Lage Islands: Eine Insel auf der Spreizungszone

Island liegt an einer geologischen Nahtstelle, dem Mittelatlantischen Rücken, wo die eurasische und die nordamerikanische tektonische Platte aufeinandertreffen. Diese Platten bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Zentimeter pro Jahr voneinander weg, was zu einer Spreizung führt. Diese Bewegung ermöglicht es Magma, aus dem Erdinneren in flachere Schichten und bis zur Erdoberfläche vorzudringen. Island, das sich genau auf dieser Spreizungszone befindet, wird durch die tektonischen Kräfte ständig auseinandergerissen, was die Entstehung von mehr als 30 aktiven Vulkanen begünstigt.

Die besondere Gefahr der Reykjanes-Halbinsel

Auf der Reykjanes-Halbinsel, wo knapp drei Viertel der isländischen Bevölkerung lebt, war es seit dem Jahr 1206 zu keinem Vulkanausbruch mehr gekommen. Doch die jüngsten Ausbrüche lassen vermuten, dass diese Phase der Ruhe endgültig vorbei ist. Wissenschaftler wie Valentin Troll von der Universität Uppsala haben festgestellt, dass sich unter der Erdoberfläche der Halbinsel ein großes Magmareservoir befindet, das die derzeitigen Ausbrüche speist. Dieses Magmareservoir liegt nur wenige Kilometer unter der Oberfläche, was im Vergleich zu anderen Vulkanen auf Island ungewöhnlich ist, da diese in der Regel von tiefer gelegenen Magmaquellen versorgt werden.

Die flache Lage der Magmakammer unter Reykjanes könnte dazu führen, dass die Vulkane in dieser Region noch jahrelang, wenn nicht sogar jahrzehntelang, aktiv bleiben. Für die Einwohner und die Infrastruktur auf der Halbinsel stellt dies eine große Herausforderung dar, da weder der genaue Ort noch der Zeitpunkt der nächsten Ausbrüche vorhergesagt werden können.

Die Bedrohung für die Infrastruktur

Die Reykjanes-Halbinsel ist nicht nur ein geologisch aktives Gebiet, sondern auch eine Region von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Island. Vier Geothermalkraftwerke mit einer Gesamtleistung von mehr als 600 Megawatt befinden sich in der gefährdeten Zone. Diese Kraftwerke sind essenziell für die Energieversorgung des Landes, insbesondere für die Hauptstadt Reykjavík, die im Winter stark auf Strom und Fernwärme angewiesen ist.

Ein weiterer kritischer Punkt ist der internationale Flughafen Keflavík, der in unmittelbarer Nähe zu den aktiven Vulkanen liegt. Sollte es in dieser Region zu einem größeren Ausbruch kommen, könnte der Flugverkehr erheblich beeinträchtigt werden, was nicht nur Auswirkungen auf den Tourismus, sondern auch auf die gesamte Wirtschaft des Landes hätte.

Auch die „Blaue Lagune“, ein weltberühmtes Thermalfreibad, das sowohl von Einheimischen als auch von Touristen besucht wird, liegt in der Gefahrenzone. Die Anlage, die für ihre warmen, mineralreichen Gewässer bekannt ist, könnte bei weiteren Ausbrüchen gefährdet sein.

Müssen Isländer umgesiedelt werden?

Angesichts der unvorhersehbaren und potenziell lang anhaltenden vulkanischen Aktivität stellen sich nun wichtige Fragen für die Zukunft. In den isländischen Behörden und Büros wird darüber diskutiert, ob die Einwohner von Grindavík, einem Küstenort und wichtigen Fischereihafen, der sich in der Nähe des Vulkans Sundhnúkur befindet, dauerhaft umgesiedelt werden müssen. Der Ort wurde bereits evakuiert, und die rund 3000 Einwohner konnten bis heute nicht in ihre Häuser zurückkehren. Die Möglichkeit, dass dieser Zustand von Dauer sein könnte, wirft ernsthafte Fragen auf.

Sollte Grindavík aufgegeben werden, stellt sich die Frage, was mit dem wichtigen Fischereihafen geschehen würde. Die Fischerei ist eine der Haupteinnahmequellen Islands, und die Schließung des Hafens hätte weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen. Auch andere Orte wie Keflavík, die ebenfalls in der Gefahrenzone liegen, könnten betroffen sein. Eine dauerhafte Umsiedlung ganzer Gemeinden wäre eine logistische und soziale Herausforderung, die das Land vor immense Probleme stellen würde.

Die Energieversorgung in Gefahr

Ein weiteres großes Thema ist die Energieversorgung der Region, insbesondere im Hinblick auf die Geothermalkraftwerke. Diese Kraftwerke nutzen die gleiche geothermische Energie, die auch die vulkanische Aktivität auf der Reykjanes-Halbinsel antreibt. Während diese Energiequelle bisher als stabil und zuverlässig galt, stellt die anhaltende vulkanische Aktivität diese Annahme in Frage.

Die isländischen Behörden müssen nun überlegen, wie sie die Energieversorgung von Reykjavík und anderen Regionen sicherstellen können, wenn die Geothermalkraftwerke in Gefahr geraten sollten. Eine mögliche Lösung könnte der Ausbau anderer Energiequellen oder die Diversifizierung der Energieversorgung sein, um das Risiko eines Ausfalls zu minimieren. Doch solche Maßnahmen erfordern Zeit und erhebliche Investitionen, und es bleibt unklar, ob sie rechtzeitig umgesetzt werden können.

Der Nutzen und das Risiko von Vulkanen

Island ist ein Land, das seit jeher im Spannungsfeld zwischen den Gefahren und den Vorteilen der vulkanischen Aktivität lebt. Die Geothermie, die durch die vulkanische Aktivität möglich wird, hat dem Land großen Wohlstand gebracht und ermöglicht eine umweltfreundliche Energieversorgung. Doch die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass die Naturgewalten auch enorme Risiken mit sich bringen.

Die anhaltenden Ausbrüche auf der Reykjanes-Halbinsel verdeutlichen, wie eng Nutzen und Risiko miteinander verbunden sind. Einerseits profitiert Island von der geothermischen Energie und den fruchtbaren Böden, die durch vulkanische Asche entstehen. Andererseits muss das Land nun mit der Möglichkeit leben, dass ganze Regionen unbewohnbar werden und die Infrastruktur zerstört wird.