Orwo: Niedergang einer DDR-Kultfirma – 270 Arbeitsplätze in Gefahr
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Orwo: Niedergang einer DDR-Kultfirma – 270 Arbeitsplätze in Gefahr

Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) – In der ehemaligen DDR galt Orwo als Synonym für erstklassige Filmtechnik. Die Marke "Original Wolfen" war einst ein Vorzeigeunternehmen der sozialistischen Republik und prägte Generationen von Fotografen. Weltweit wurde die Filmproduktion aus Wolfen geschätzt, doch die Zeiten haben sich dramatisch geändert. Jetzt kämpft das Traditionsunternehmen ums Überleben. 270 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe, nachdem Orwo Net Insolvenz angemeldet hat.

Eine ära geht zu Ende: Vom Weltmarkt zur Insolvenz

Der Niedergang von Orwo ist eng mit dem Strukturwandel der Fotoindustrie verbunden. Während das Unternehmen früher weltweit führend in der Herstellung von Filmmaterial war, leidet es heute unter der digitalen Revolution. Fotografie ist längst nicht mehr auf analoge Filmrollen angewiesen, und das Geschäftsmodell von Orwo Net konnte mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Noch 15.000 Menschen arbeiteten vor dem Mauerfall in der Filmfabrik. Heute sind es nur noch wenige Hundert – und selbst diese bangen um ihre Jobs.

Nina Hagen und ihr Hit: "Du hast den Farbfilm vergessen"

Die legendäre Sängerin Nina Hagen (70) verewigte Orwo mit ihrem Hit "Du hast den Farbfilm vergessen" im Jahr 1974. Der Song wurde zur Hymne einer Generation und machte den Wolfener Farbfilm berühmt. Doch die Strahlkraft des Liedes kann die wirtschaftlichen Probleme der Firma nicht retten. Der Markt hat sich verändert, und Orwo muss sich neuen Herausforderungen stellen.

Ein Traditionsunternehmen im Wandel der Zeit

Die Geschichte von Orwo reicht über 100 Jahre zurück. 1909 gegründet, war die Filmfabrik Wolfen einst Teil der Agfa-Gruppe. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zur volkseigenen DDR-Firma, die mit der Marke Orwo neue Maßstäbe setzte. 1936 wurde hier der weltweit erste Mehrschichtenfarbfilm, "Agfacolor neu", entwickelt. Jahrzehntelang dominierte Orwo den Fotomarkt in Ostdeutschland und exportierte seine Produkte in den gesamten sozialistischen Wirtschaftsraum. Doch nach der Wiedervereinigung begann der langsame Abstieg.

Der harte Konkurrenzkampf in der Fotobranche

Heute produziert Orwo Net vor allem Fotobücher, Kalender und Abzüge. Das Unternehmen gilt als eines der führenden Foto-Großlabore Deutschlands und arbeitet als Dienstleister für die Drogeriekette Rossmann. Doch der Markt ist hart umkämpft. Die Konkurrenz durch Online-Fotodienste und die allgemeine Digitalisierung haben dazu geführt, dass immer weniger Menschen klassische Fotoabzüge bestellen.

Finanzielle Schwierigkeiten: Verlust trotz Millionenumsatz

Trotz eines Jahresumsatzes von 30 Millionen Euro verzeichnete Orwo Net zuletzt Verluste von 1,5 Millionen Euro. Besonders problematisch ist der harte Wettbewerb: Rabatte drücken die Preise, während steigende Kosten für Rohstoffe und Energie die Produktion verteuern. Zudem gibt es eine zunehmende Kaufzurückhaltung bei Fotobüchern, was das Geschäft weiter belastet.

Insolvenzverfahren eingeleitet – Hoffnung auf Investoren

Nun hat Orwo Net Insolvenz angemeldet. Ein Insolvenzverwalter analysiert bereits die Geschäftsbücher. Die Löhne der 270 Beschäftigten sind für die nächsten drei Monate durch das Insolvenzgeld gesichert, und das Unternehmen nimmt weiterhin neue Aufträge an. Ziel ist es, im Rahmen eines Investorenprozesses einen neuen Eigentümer zu finden, der Orwo wieder auf Kurs bringt.

Ein Symbol für den Wandel der ostdeutschen Wirtschaft

Der Niedergang von Orwo steht exemplarisch für den wirtschaftlichen Wandel in Ostdeutschland. Viele traditionsreiche Unternehmen mussten nach der Wiedervereinigung kämpfen, um sich in der neuen Marktwirtschaft zu behaupten. Während einige Firmen erfolgreich den Sprung in die Moderne geschafft haben, geraten andere immer wieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Das Rathaus als Relikt der Vergangenheit

Ein beeindruckendes Zeugnis der Orwo-Geschichte steht noch heute in Bitterfeld-Wolfen: Das von 1936 bis 1939 erbaute Verwaltungsgebäude der Agfa-Filmfabrik dient inzwischen als Rathaus der Stadt. Es erinnert an eine Zeit, in der Wolfen eines der weltweit wichtigsten Zentren der Filmproduktion war.

Wie geht es weiter? Die Zukunft von Orwo Net

Trotz der Insolvenz gibt es Hoffnung. Wie der Insolvenzverwalter der "Mitteldeutschen Zeitung" mitteilte, wird der Betrieb zunächst normal weitergeführt. Parallel dazu sollen Investoren gesucht werden, die das Unternehmen übernehmen und weiterführen könnten. Ob es gelingt, Orwo Net zu retten, bleibt abzuwarten. Doch eines steht fest: Die Geschichte von Orwo und die Erinnerung an den legendären Farbfilm aus Wolfen werden weiterleben.