In den letzten Jahren hat das Bürgergeld in Deutschland zunehmend für kontroverse Diskussionen gesorgt. Besonders brisant wird die Debatte durch die aktuellen Aussagen zweier ehemaliger Vorstandsmitglieder der Bundesagentur für Arbeit. Frank-Jürgen Weise und Heinrich Alt, beide lange Zeit im Vorstand der Agentur tätig, äußern sich kritisch über die Wirksamkeit und die gesellschaftlichen Folgen des Bürgergeldes.
Kritikpunkte der Ex-Chefs der Arbeitsagentur
Hohe Anzahl arbeitsfähiger Stütze-Empfänger
Frank-Jürgen Weise weist auf eine alarmierende Zahl hin: „Es gibt in Deutschland 260.000 junge Menschen zwischen 25 und 45, die seit längerer Zeit nicht arbeiten, obwohl sie alle Kriterien für Erwerbstätigkeit erfüllen.“ Diese hohe Zahl von arbeitsfähigen, aber nicht arbeitenden Menschen sei inakzeptabel.
Probleme in der Organisation der Jobcenter
Weise kritisiert zudem die ineffiziente und bürokratische Struktur der Jobcenter: „Die Jobcenter sind wie gelähmt von Bürokratie. Das System ist völlig intransparent. Es ist nicht mehr steuerbar.“ Diese organisatorischen Mängel tragen seiner Meinung nach wesentlich dazu bei, dass das Bürgergeld nicht die gewünschte Wirkung entfaltet.
Akzeptanzprobleme in der Gesellschaft
Heinrich Alt hebt ein grundlegendes „Akzeptanzproblem“ des Bürgergeldes hervor. Ein wesentlicher Punkt seiner Kritik ist, dass der hart arbeitende Bürger im Niedriglohnsektor kaum mehr verdient als ein Bürgergeld-Empfänger. Dies führe verständlicherweise zu Unmut in der Gesellschaft. Alt erläutert weiter: „Zwischen 2021 und 2024 haben Langzeitarbeitslose 26 Prozent mehr bekommen, die Löhne seien in dieser Zeit aber nur um knapp 12 Prozent gestiegen. Die Preise seien um 17 Prozent nach oben geschnellt.“ Diese Diskrepanz verstärke das Gefühl von Ungerechtigkeit.
Fehlende Konsequenzen für Arbeitsverweigerer
Ein weiteres Problem, das Weise und Alt ansprechen, ist die mangelnde Durchsetzung von Sanktionen gegenüber Arbeitsverweigerern. Obwohl die Möglichkeit besteht, renitenten Arbeitsverweigerern das Bürgergeld für zwei Monate zu streichen, wurde diese Maßnahme bislang in keinem einzigen Fall angewendet. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit des Systems und fördert das Bild von einem staatlichen System, das Arbeitsverweigerung toleriert.
Forderungen und Lösungsvorschläge
Entlastung der Jobcenter
Um die Situation zu verbessern, schlagen Weise und Alt vor, die Jobcenter zu entlasten. Dies könnte durch eine Reduktion der Bürokratie und eine bessere Organisation erreicht werden, sodass die Jobcenter effizienter arbeiten und gezielter auf die Bedürfnisse der Arbeitsuchenden eingehen können.
Anhebung der Löhne im Niedriglohnsektor
Ein weiterer Vorschlag betrifft die Löhne im Niedriglohnsektor. Durch eine Anhebung der Löhne könnte das Einkommensgefälle zwischen arbeitenden Menschen und Bürgergeld-Empfängern vergrößert werden. Dies würde die Arbeit im Niedriglohnsektor attraktiver machen und das Akzeptanzproblem entschärfen.
Konsequentere Anwendung von Sanktionen
Schließlich fordern Weise und Alt eine konsequentere Anwendung der vorgesehenen Sanktionen gegenüber Arbeitsverweigerern. Nur durch eine klare und konsequente Linie könne die Glaubwürdigkeit des Systems wiederhergestellt werden.
Stimmen aus der Politik
Auch innerhalb der SPD gibt es Kritik am derzeitigen System. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt äußert sich im „Spiegel“: „Wir sind nicht die Partei der Arbeitslosen, sondern die Partei der Arbeit.“ Diese Aussage unterstreicht die Notwendigkeit einer Reform, um das Bürgergeld effektiver und gerechter zu gestalten.