Das leuchtend rote A, Symbol für Beratung, Kompetenz und Fachwissen, repräsentiert eine wichtige Säule der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Apotheken spielen eine entscheidende Rolle, insbesondere bei der Behandlung von Husten, Schnupfen und Halsschmerzen, wo sie oft als erste Anlaufstelle dienen, bevor ein Arztbesuch nötig wird. Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass immer mehr Apotheken schließen müssen, was auf eine besorgniserregende Entwicklung hinweist: Die Branche ist in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Die Realität der Apothekenbranche
Das Klischee des wohlhabenden Apothekers, der in einem Porsche durch die Gegend fährt, oft in den Urlaub fliegt und in einer luxuriösen Villa lebt, gehört der Vergangenheit an. Heute kämpfen viele Apotheker ums Überleben. Magdalene Linz, eine 70-jährige Apothekerin aus Hannover und ehemalige Präsidentin der Landesapothekerkammer Niedersachsen, beschreibt ihre Situation als alles andere als glamourös. Trotz eines beachtlichen Umsatzes bleibt am Ende ihrer Apotheken kaum ein nennenswerter Gewinn übrig. „Ich fahre einen 15 Jahre alten Mini und schwimme nicht im Reichtum,“ erklärt Linz.
Der besorgniserregende Trend: Rückgang der Apothekenfilialen
Die Situation wird durch alarmierende Zahlen untermauert. Im Jahr 2014 gab es in Deutschland noch 20.441 öffentliche Apotheken. Bis zum 30. Juni 2024 ist die Zahl auf nur noch 17.288 gesunken. Damit liegt Deutschland mit 21 Apotheken pro 100.000 Einwohner weit unter dem EU-Durchschnitt von 32 Filialen. Diese Zahl verdeutlicht den dramatischen Rückgang der Apothekenlandschaft und die drängende Notwendigkeit, Lösungen zu finden, um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten.
Das neue Apothekengesetz: Ein potenzieller Dammbruch?
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat am 21. August angekündigt, ein neues Apothekengesetz vom Kabinett beschließen lassen zu wollen. Dieses Gesetz könnte jedoch die Situation weiter verschärfen. Lauterbach plant unter anderem die Einführung von Apotheken ohne Apotheker und eine Reduzierung der Verkaufsbeteiligung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Diese Maßnahmen stoßen auf heftigen Widerstand innerhalb der Branche, da viele Apotheker befürchten, dass die neuen Regelungen ihre ohnehin schon angespannte finanzielle Lage weiter verschärfen könnten.
Die Probleme der stationären Apotheken im Detail
Im Gegensatz zu Online-Apotheken, die bei verschreibungspflichtigen Medikamenten nur einen Marktanteil von unter einem Prozent ausmachen, erzielen stationäre Apotheken rund 84 Prozent ihrer Einnahmen durch diese Medikamente. Das Fixhonorar für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments wurde in den letzten zehn Jahren lediglich um 25 Cent erhöht – von 8,10 Euro auf 8,35 Euro – während andere Betriebskosten wie Miete und Personalkosten um bis zu 60 Prozent gestiegen sind.
Ein weiteres Problem stellt die Absenkung der Vergütung dar. Derzeit verdienen Apotheken 3 Prozent des Einkaufspreises verschreibungspflichtiger Medikamente. Lauterbach plant jedoch eine Reduzierung dieses Prozentsatzes auf 2 Prozent, während das Fixhonorar auf 9 Euro angehoben wird. Auf den ersten Blick mag dies nach einer Verbesserung erscheinen, doch bei teuren Medikamenten könnte diese Änderung erhebliche Nachteile mit sich bringen.
Die finanziellen Belastungen für Apotheker
Merle Looschen, die zwei Apotheken in Lohne (Niedersachsen) betreibt, zeigt anhand eines konkreten Beispiels die möglichen finanziellen Belastungen auf. Sie führt an, dass ein Medikament wie Berinert, das gegen Flüssigkeitseinlagerungen und Schwellungen durch eine Erbkrankheit hilft, im Einkauf 82.442,53 Euro kostet. Von diesem Betrag entfallen 1.648,85 Euro auf die 2 Prozent des Einkaufspreises sowie die 9 Euro Fixhonorar.
Da Apotheken beim Einkauf oft in Vorkasse gehen müssen und teure Medikamente wie Berinert den gesamten Kreditrahmen beanspruchen können, entstehen zusätzliche Kreditzinsen. In diesem Fall würden die Zinskosten bei 1.839,50 Euro liegen. Nachdem man diese von den Einnahmen – den 1.648,85 Euro plus 9 Euro Fixhonorar – abgezogen hat und weitere Kosten berücksichtigt, könnte das Ergebnis negativ ausfallen. Looschen rechnet vor, dass in einem Worst-Case-Szenario ein Verlust von 283,65 Euro entstehen könnte, während sie bisher noch 484,75 Euro Gewinn bei ähnlichen Berechnungen erwirtschaftet hat.
Steigende Kosten und Personalmangel in der Apotheke
Ein zentrales Problem in der Apotheke ist die sogenannte Retaxierung. Dies bezeichnet die Praxis, bei der Krankenkassen die Zahlung für bereits abgegebene rezeptpflichtige Medikamente verweigern. „Dann bleiben wir auf den Kosten sitzen“, erklärt Magdalene Linz, Apothekerin. Dieser Prozess kann gravierende finanzielle Auswirkungen auf Apotheken haben. Oft engagieren Krankenkassen spezielle externe Firmen, die Fehler in Rezepten suchen, wie beispielsweise fehlende Unterschriften von Ärzten, um die Zahlungen zu verweigern.
In Reaktion auf die anhaltenden Konflikte zwischen Krankenkassen und Apotheken gibt es derzeit Bestrebungen, einen Friedensgipfel zu organisieren. Ziel dieses Gipfels ist es, einen Kompromiss zwischen den Krankenkassen und den Apothekern zu finden, um die Problematik der Retaxierungen zu adressieren und zu lösen.
Personalmangel in der Apotheke
Obwohl der Studiengang Pharmazie nach wie vor populär ist, gibt es ein wachsendes Problem im Bereich der Apotheken: den Personalmangel. Magdalene Linz stellt fest: „Die jungen Leute wollen noch Apotheker werden. Aber immer weniger Nachwuchskräfte wollen in öffentlichen Apotheken arbeiten. Sie zieht es in Krankenhäuser oder in die freie Wirtschaft, weil sie dort mehr verdienen.“
Die Lösung, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach vorschlägt, ist die Einführung von sogenannten „Light-Apotheken“. Diese Apotheken könnten künftig von Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) geführt werden, sofern sie an eine Apotheke mit einem Apotheker angegliedert sind. In Fachfragen müssten die PTAs einen Apotheker konsultieren, entweder telefonisch oder per Video.
Widerstand gegen die Einführung von Light-Apotheken
Das Konzept der Light-Apotheken stößt jedoch auf erhebliche Widerstände. Laut einer Umfrage des Bundesverbands PTA sprechen sich 67,8 Prozent der Befragten gegen die Einführung dieser Apotheken aus. Nur 7,1 Prozent unterstützen den Vorschlag, während 24,9 Prozent unentschlossen sind.
Auch Apotheker selbst äußern Bedenken bezüglich Lauterbachs Vorschlags. „PTAs sind günstiger als Apotheker. Aus wirtschaftlichen Gründen werden sich Apotheker dazu gezwungen sehen, sie durch PTAs zu ersetzen“, befürchtet Merle Looschen. Dieser Schritt könnte weitreichende Folgen für die Patientenversorgung haben, da die Fachkenntnisse von PTAs nicht mit denen von Apothekern vergleichbar sind.
Auswirkungen auf die Patientenversorgung
Besonders besorgniserregend ist die mögliche Verschlechterung der Patientenversorgung. Apotheker haben spezialisiertes Wissen, das PTAs nicht haben. Sie sind zudem für die Herstellung individueller Rezepturen zuständig, wie Salben und Tinkturen. Merle Looschen hebt hervor, dass über 2000 solcher Rezepturen jährlich in ihren beiden Apotheken erstellt werden. Auch bei Lieferengpässen, etwa bei Fieberzäpfchen für Kinder, ist die Anwesenheit eines Apothekers erforderlich, da sie für die Qualität und Sicherheit der ausgegebenen Medikamente haften.
„Wie soll das in Zukunft gehen? Sollen wir Eltern sagen, dass wir die Medikamente für ihre kranken Kinder erst in zwei Wochen anmixen können, weil gerade kein Apotheker da ist?“, fragt Looschen besorgt. Die Möglichkeit, dass Apotheker durch PTAs ersetzt werden, könnte ernsthafte Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und Qualität der Patientenversorgung haben.
Ausblick und weitere Entwicklungen
Das Bundesgesundheitsministerium hält sich auf Rückfragen zum neuen Gesetz der BamS bedeckt. „Der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung zu diesen Themen ist noch nicht abgeschlossen.“ Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussionen weiterentwickeln und welche Maßnahmen letztlich beschlossen werden, um die Herausforderungen in der Apotheke zu bewältigen.