München – Mitte Juli kündigte Ministerpräsident Markus Söder (57, CSU) in seiner Regierungserklärung ein umfassendes „Bayern-Update“ an. Ziel ist es, die Bürokratie beim Bauwesen zu reduzieren. Doch dieses Vorhaben könnte dazu führen, dass sich in Bayern bald wieder unzählige Schottergärten ausbreiten.
Das Kabinett plant, das bestehende Baurecht zu reformieren und zahlreiche Genehmigungsverfahren abzuschaffen. Dies betrifft insbesondere private Hausbesitzer, die künftig ohne aufwändige Verfahren Terrassenüberdachungen, Autostellplätze oder Erweiterungsbauten errichten können. Diese Änderungen könnten jedoch unbeabsichtigte Konsequenzen für die Umwelt haben.
Städte und Kommunen auf den Barrikaden
Mehrere Städte und Gemeinden prüfen derzeit die Möglichkeit einer Verfassungsklage gegen die geplanten Änderungen. Die Befürchtung besteht, dass die Reformen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die kommunale Planungs- und Satzungshoheit darstellen könnten.
„Inhaltlich wirken die Vorhaben völlig aus der Zeit gefallen und ignorieren die großen Themen unserer Zeit, wie die Klimaanpassung, die Biodiversitätskrise und die Notwendigkeit der Durchgrünung unserer Siedlungsbereiche“, erklärten Gemeindetagspräsident Uwe Brandl und Städtetagschef Markus Pannermayr (beide CSU) in einem offenen Brief an die Staatskanzlei.
Wieder mehr Schottergärten in Bayern?
Sollte der Gesetzentwurf in Kraft treten, könnten Hausbesitzer ihren Garten nach Belieben gestalten – vorausgesetzt, sie versiegeln den Boden nicht und begrünen ihn stattdessen. Kommunalverbände befürchten jedoch, dass dies zu einem Anstieg von Schottergärten führen könnte. Schottergärten gelten nämlich nicht als Versiegelung, was bedeutet, dass sie in den meisten Fällen nicht unter die bestehenden Regelungen fallen.
Auf eine Anfrage von BILD erklärte ein Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr: „Aktuell werden die Rückmeldungen der Verbändeanhörung zum Entwurf des ersten Modernisierungsgesetzes ausgewertet.“ Zudem wird auf die bestehende Bayerische Bauordnung (BayBO, Art. 7) hingewiesen, die Regelungen zur Begrünung enthält. Kritiker bemängeln jedoch, dass diese Regelungen zu vage sind.
Die politische Perspektive auf das Schottergarten-Problem
Politiker äußern unterschiedliche Meinungen zu den geplanten Änderungen. Stefan Schelle (60, CSU), Bürgermeister von Oberhaching, äußerte gegenüber dem „BR“ Bedenken: „Wenn ich einen Schottergarten anlege und irgendeinen japanischen Bambus pflanze, ist die Frage, ob das ‚begrünt‘ ist.“ Er kritisierte, dass Schottergärten der Artenvielfalt keinen Nutzen bringen und die Versickerung von Regenwasser nur unzureichend fördern. Zudem tragen sie zur Aufheizung des Straßenraums bei.
Johannes Becher (36), Grünen-Fraktionsvize im bayerischen Landtag, bezeichnete die Reform als einen Fehlweg: „Damit werden nicht nur wichtige Steuerungsmöglichkeiten abgeschafft, sondern es werden auch Schottergärten an Orten ermöglicht, an denen sie bisher untersagt waren.“
Probleme mit Schottergärten
Warum entscheiden sich viele Menschen für Schotter statt Grün? Oft spielen Bequemlichkeit und Pflegeaufwand eine Rolle. Biologisch gesehen sind Schottergärten jedoch problematisch, da sie für viele Tiere und Pflanzen keinen Lebensraum bieten.
Tierfeindliche Umgebung
Schottergärten bieten nur wenigen Pflanzenarten wie Bambus oder Rhododendron Platz, die Insekten und Vögeln kaum Nahrung bieten. Kleinsäuger finden hier keinen Unterschlupf, und auch Reptilien, die Wärme schätzen, fühlen sich auf monotonen Flächen nicht wohl.
Stehendes Regenwasser
Bei starkem Regen sammelt sich Wasser in Schotterbeeten, da der Boden verdichtet ist und nicht ausreichend abfließen kann. Dies kann dazu führen, dass das Wasser in Kellern oder der Kanalisation landet und letztlich verschmutzt in Flüsse und Bäche gelangt, anstatt als gefiltertes Grundwasser aufgenommen zu werden.
Hitze und Staub nehmen zu
Im Sommer erwärmen sich die Steine in Schottergärten stark, was dazu führt, dass Pflanzen vertrocknen. Da es keine Pflanzen gibt, die die Luft abkühlen könnten, bleibt die Luft auch nachts warm. Feine Partikel, die normalerweise von Blättern gefiltert werden, reichern sich in der Luft an, was zu einer erhöhten Staub- und Stickstoffdioxid-Konzentration führt.