Die bevorstehende Reform der Grundsteuer, die ab dem 1. Januar 2025 in Kraft treten soll, steht vor erheblichen Herausforderungen. In Niedersachsen kämpfen Finanzämter und Kommunen mit einem massiven Bearbeitungsstau und Verzögerungen, die die Umsetzung der neuen Regelungen betreffen. Diese Situation wird durch die hohe Anzahl an Einsprüchen und Rechtsstreitigkeiten weiter kompliziert.
Bearbeitungsstau und unzureichende Fortschritte
Das Finanzministerium Niedersachsen hat auf eine Anfrage des fraktionslosen Landtagsabgeordneten Jozef Rakicky (68) bestätigt, dass bisher keine Städte oder Gemeinden im Land ihre neuen Hebesätze gemäß der veränderten Berechnungsgrundlage festgelegt haben. Dies ist ein signifikantes Problem, da die Reform der Grundsteuer eine umfassende Neubewertung der Immobilienwerte und Anpassungen der Hebesätze vorsieht.
In den Finanzämtern herrscht ein erheblicher Bearbeitungsstau. Aktuelle Zahlen zeigen, dass landesweit 438.605 Immobilienbesitzer Einsprüche gegen ihre Grundsteuerbescheide eingelegt haben. Von diesen Einsprüchen wurden lediglich 82.869 abgeschlossen bearbeitet, was einer Quote von nur etwa 18 Prozent entspricht. Diese niedrige Bearbeitungsquote verdeutlicht die enormen Herausforderungen, mit denen die Finanzämter konfrontiert sind.
Rechtsstreitigkeiten und verfassungsrechtliche Bedenken
Zusätzlich zum Bearbeitungsstau laufen derzeit sieben Verfahren beim niedersächsischen Finanzgericht, die die Rechtmäßigkeit der neuen Grundsteuer in Frage stellen. Besonders 219.591 der Einsprüche richten sich gegen die Grundsteuerreform insgesamt. Die Kläger halten das neue Gesetz für verfassungswidrig, was zu einer Verzögerung bei der Bearbeitung führt, bis das Gericht über die Rechtmäßigkeit entschieden hat.
Ein weiterer Teil der Einsprüche bezieht sich auf Details wie die festgestellte Grundstücksgröße oder Gebäudefläche sowie den Bodenrichtwert, der für die Berechnung des Lage-Faktors verwendet wird. Diese Detailfragen müssen ebenfalls geklärt werden, bevor endgültige Bescheide erlassen werden können.
Erhöhungen der Hebesätze vor der Reform
Vor dem Inkrafttreten der Reform haben viele niedersächsische Kommunen ihre Hebesätze erhöht. Dies ist ein strategischer Schritt, um die finanziellen Engpässe durch die Reform abzufedern. Im Jahr 2024 haben exakt 211 von 941 Kommunen ihre Hebesätze angehoben. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es bereits 194 Städte und Gemeinden. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat diese Zahlen ermittelt und dokumentiert.
Höchste und niedrigste Hebesätze in Niedersachsen
Im Landkreis Leer gibt es die höchste Grundsteuererhöhung. In der Gemeinde Neukamperfehn steigt der Hebesatz um beeindruckende 389 Punkte auf nun 949 Prozent, was den höchsten Wert im Land darstellt. Auch in anderen Regionen Niedersachsens sind die Hebesätze hoch. Beispielsweise beträgt der Hebesatz in Hannover und Seelze 700 Prozent, in Spiekeroog 680 Prozent, in Hildesheim 650 Prozent und in vielen weiteren Städten und Gemeinden liegen die Werte ebenfalls hoch.
Im Gegensatz dazu ist der Hebesatz in der Gemeinde Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg mit 250 Prozent am niedrigsten. Auch die Städte Vechta (280 Prozent) und die umliegenden Gemeinden Bakum (320 Prozent), Lohne (330 Prozent) und Visbek (335 Prozent) haben vergleichsweise niedrige Hebesätze.
Kritik und Ausblick
Jan Vermöhlen, Vorstandsmitglied des BdSt, kritisiert die Situation scharf: „Niedersachsen ist das einzige Flächenland, in dem die Kommunen seit 2019 kontinuierlich Finanzierungsdefizite verzeichnen. Viele greifen daher zu Steuererhöhungen, was zu einer zusätzlichen Belastung für die Bürger führt.“
Die anhaltenden Verzögerungen und die rechtlichen Herausforderungen verdeutlichen, dass die Umsetzung der Grundsteuerreform ein komplexes Unterfangen ist. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die Finanzämter und Kommunen die anstehenden Aufgaben bewältigen können und ob die Reform wie geplant zum Jahresbeginn 2025 in Kraft treten wird.