Am 1. November 2024 tritt das neue Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland in Kraft. Für viele Transgender, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen bedeutet dies eine wesentliche Vereinfachung und Anerkennung ihrer Rechte. Doch was genau ändert sich und wer profitiert von der neuen Gesetzgebung?
Jahrelanger Kampf für mehr Selbstbestimmung
Seit vielen Jahren kämpfen Betroffene und Unterstützergruppen für eine Reform der bisherigen Regelungen. Das neue Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht es künftig, den Geschlechtseintrag und den Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern. Dieses neue Verfahren ersetzt das bisherige, das als aufwendig, kostenintensiv und entwürdigend kritisiert wurde. Bis Ende August 2024 hatten nach offiziellen Angaben bereits 15.000 Personen solche Änderungen bei den Standesämtern angemeldet.
An wen richtet sich das Gesetz?
Das Gesetz zielt auf Transgender, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen ab. Transgender sind Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht. Intergeschlechtliche Menschen weisen körperliche Geschlechtsmerkmale auf, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Nicht-binäre Personen identifizieren sich weder vollständig als Mann noch als Frau. Diese Neuregelung soll es diesen Personengruppen erleichtern, ihre Identität offiziell anerkennen zu lassen.
Bisherige Regelungen und ihre Kritik
Bislang galt das Transsexuellengesetz von 1980, das für eine Änderung des Geschlechtseintrags zwei psychologische Gutachten und eine gerichtliche Entscheidung vorschrieb. Dieses Verfahren wurde von vielen Betroffenen als "psychiatrische Zwangsbegutachtung" wahrgenommen und als entwürdigend, teuer und zeitaufwendig kritisiert.
Neue Regelungen ab November 2024
Mit der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes können volljährige Transgender-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen nun durch eine einfache Erklärung, die „Erklärung mit Eigenversicherung“, beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen. Diese Erklärung erfordert keine weiteren medizinischen oder psychologischen Nachweise und ist unabhängig davon, ob eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt wurde. Die betroffene Person muss lediglich bestätigen, dass die gewünschte Änderung ihrer Geschlechtsidentität entspricht.
Regelungen für Minderjährige
Für Kinder unter 14 Jahren können die Eltern den Antrag auf Geschlechts- und Namensänderung stellen. Jugendliche ab 14 Jahren dürfen dies selbst tun, benötigen jedoch die Zustimmung der Eltern. Kommt es hier zu Konflikten, kann das Familiengericht im Sinne des Kindeswohls eine Entscheidung treffen. Es wird zudem vorausgesetzt, dass die Jugendlichen oder ihre Eltern eine Beratung durch einen Psychologen oder durch die Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen.
Häufigkeit der Änderungen
Das Gesetz sieht keine Begrenzung in der Anzahl der Änderungen vor. Allerdings gibt es eine Sperrfrist von einem Jahr, bevor eine erneute Änderung möglich ist. Dies soll sicherstellen, dass der Wunsch nach einer Änderung ernsthaft und gut überlegt ist. Bereits ab dem 1. August 2024 konnten entsprechende Anträge gestellt werden, die Änderungen treten nun im November in Kraft.
Schutz der Privatsphäre durch Offenbarungsverbot
Eine der Neuerungen ist das sogenannte „Offenbarungsverbot“. Dieses verbietet es, gegen den Willen einer Person ihre frühere Geschlechtszuordnung oder den früheren Vornamen zu enthüllen. Verstöße gegen dieses Verbot können mit einem Bußgeld geahndet werden, um ein erzwungenes „Outing“ zu verhindern. Zudem ermöglicht das Gesetz es Betroffenen, die sich als Eltern registrieren lassen, in der Geburtsurkunde ihrer Kinder als „Elternteil“ aufgeführt zu werden.
Diskussionen um Zugangsrechte zu geschützten Räumen
Ein kontrovers diskutierter Punkt war der Zugang zu geschützten Räumen wie Umkleidekabinen, Frauenhäusern oder Saunen. Insbesondere Frauenrechtlerinnen äußerten Bedenken, ob solche Räume für Trans-Personen geöffnet werden sollten. Das neue Gesetz lässt das private Hausrecht unberührt, jedoch greift weiterhin das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierungen verhindern soll.