Hamburgs Justiz kämpft mit einer massiven Belastung: Die Staatsanwaltschaft der Hansestadt bearbeitet derzeit 47.185 offene Ermittlungsverfahren. Das bedeutet einen Anstieg von 20,7 Prozent innerhalb von nur neun Monaten. Die Situation sorgt für Unmut bei Rechtsexperten und Politikern, die vor den Konsequenzen für den Rechtsstaat warnen.
Dramatischer Anstieg der Verfahren
Bereits Anfang Januar 2024 lag die Zahl offener Ermittlungsverfahren mit 39.088 auf einem hohen Niveau. Doch durch eine zunehmende Zahl von Fällen in den Bereichen Kinderpornografie, Drogendelikte, Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität ist die Lage weiter eskaliert. Laut einer Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU ist der Anstieg der Fälle besorgniserregend. Besonders lange laufende Ermittlungsverfahren (mehr als neun Monate ohne Abschluss) haben zugenommen: Im ersten Quartal 2024 waren es noch 8.301, zum Ende des dritten Quartals bereits 10.300. Zum Vergleich: Im Dezember 2022 waren es noch 5.690.
Belastung der Staatsanwälte steigt
Jeder Staatsanwalt in Hamburg hatte im vergangenen Jahr im Durchschnitt 346 neue Verfahren zu bearbeiten, während Amtsanwälte mit 1.401 neuen Fällen konfrontiert wurden. Trotz steigender Belastung wurde die Zahl der Staatsanwälte leicht erhöht: Von 240,7 besetzten Stellen Anfang 2023 auf 251,3 im Jahr 2024. Diese Neueinstellungen waren vor allem auf die enorme Zunahme der sogenannten EncroChat- und Kinderpornografie-Verfahren zurückzuführen.
Kritik an der Justizbehörde
Die Arbeitsbedingungen der Staatsanwälte stehen zunehmend in der Kritik. Der CDU-Rechtsexperte Richard Seelmaecker bezeichnete die Belastungssituation als „katastrophal“. Besonders Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) gerät in den Fokus: „Um das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat nicht vollends zu erschüttern, Täter zügig ihrer gerechten Strafe zuzuführen und Opfer zu entlasten, ist es unerlässlich, dass Frau Gallina endlich die Arbeitsbedingungen bei der Staatsanwaltschaft so verbessert, dass die vakanten Stellen besetzt werden und die hohe Fluktuation ein Ende nimmt“, sagte Seelmaecker.
Justizbehörde verweist auf bundesweite Entwicklung
Der Hamburger Senat verteidigt sich: Die steigenden Fallzahlen seien ein bundesweites Phänomen. Man habe zudem verstärkte Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung ergriffen, um hoch qualifizierte Juristen für die Staatsanwaltschaft zu gewinnen. Allerdings bleibt die hohe Arbeitsbelastung ein Problem, das weiterhin ungelöst ist.
Die Justizkrise in Hamburg wirft grundlegende Fragen zur Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats auf. Während Verfahren sich verzögern, leiden Opfer unter ausbleibender Gerechtigkeit. Experten fordern schnelle Reformen, um die Handlungsfähigkeit der Staatsanwaltschaft sicherzustellen.
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Titelbild: Gericht
Bild erstellt: Ray_Shrewsberry
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