Die norddeutsche Metall- und Elektroindustrie steht vor einer herausfordernden Tarifrunde. Während die Gewerkschaft IG Metall für 140.000 Beschäftigte eine deutliche Lohnerhöhung fordert, zeigt eine aktuelle Umfrage, dass viele Unternehmen in der Branche zunehmend unter Druck geraten und sogar eine Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland in Erwägung ziehen. Mit 22 Prozent plant mehr als jeder fünfte Betrieb, Standorte ins Ausland zu verlagern – ein alarmierendes Signal für die Zukunft der Branche.
Die Umfrage: Tiefpunkt der Stimmung in der Branche
Laut dem Arbeitgeberverband Nordmetall ist dies der höchste jemals gemessene Wert in den eigenen Umfragen. Die Industrie befindet sich in einer tiefen Krise. „2025 werden wir nicht nur das dritte Jahr in Folge eine Rezession erleben, sondern auch eine echte Wirtschaftskrise“, warnt Verbands-Präsident Folkmar Ukena. Diese düsteren Vorzeichen bestimmen nun die bevorstehenden Verhandlungen, die am Dienstag in Bremen beginnen.
Forderungen der Gewerkschaft: Mehr Lohn und Freistellungen
Die Gewerkschaft fordert 7 Prozent mehr Lohn sowie eine monatliche Zulage von 170 Euro für Auszubildende. Zusätzlich soll es die Möglichkeit geben, bezahlte Freistellungen für ehrenamtliche Tätigkeiten zu erhalten. Nordmetall hat diese Forderungen jedoch als unrealistisch abgelehnt und verweist auf die schlechten wirtschaftlichen Aussichten. Der Fokus der Arbeitgeberseite liegt auf der „Standortsicherung“, um die Zukunft der Unternehmen in Deutschland zu gewährleisten.
Stimmung in den Unternehmen: Sorgen über Produktionsverlagerung
Die Umfrage zeigt, dass insbesondere in energieintensiven Branchen die Stimmung am Boden ist. 77 Prozent der Betriebe in der Gießerei- und Metallerzeugungsindustrie stufen ihre Geschäftslage als „unbefriedigend“ ein, 41 Prozent bezeichnen sie sogar als „schlecht“. Die Kapazitätsauslastung liegt bei nur noch 82 Prozent, rund vier Prozent unter dem Langzeitschnitt. Besonders betroffen sind Betriebe im Luft- und Raumfahrzeugbau, die weiterhin unter erheblichen Lieferengpässen leiden.
Standort Deutschland: Attraktivität sinkt rapide
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Umfrage ist der drastische Rückgang der Attraktivität des Standorts Deutschland. 67 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sich die Bedingungen innerhalb der letzten sechs Monate verschlechtert haben. Vor sieben Jahren lag dieser Wert noch bei lediglich 15 Prozent. Die größten Belastungen sind die hohen Arbeitskosten, die von 84 Prozent der Betriebe als problematisch eingestuft werden. Es folgen die Bürokratie (63 Prozent), die Materialkosten (62 Prozent) und die Energiekosten (61 Prozent).
Perspektiven der Unternehmen: Wenig Hoffnung auf Verbesserung
Nordmetall-Präsident Ukena verweist darauf, dass 39 Prozent der Unternehmen über einen Rückgang der Aufträge klagen. Dies führt dazu, dass die Auslastung auf das drittniedrigste Niveau seit 18 Jahren gefallen ist. Zudem erwarten 71 Prozent der Unternehmen auch im kommenden halben Jahr keine Umsatzsteigerung.
Einschätzung der Verhandlungsführerin: Langfristige Krise erwartet
Die Verhandlungsführerin der Arbeitgeberseite, Lena Ströbele, betont die langfristige Natur der aktuellen Herausforderungen: „Wir befinden uns nicht in einer vorübergehenden Konjunkturdelle, sondern in einer vermutlich lang andauernden Strukturkrise.“ Sie fordert daher planbare und flexible Rahmenbedingungen sowie eine Entlastung bei den Arbeitskosten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern.