Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte: Experten fordern bessere Strafverfolgung statt härterer Strafen
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Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte: Experten fordern bessere Strafverfolgung statt härterer Strafen

Immer wieder kommt es in Deutschland zu gewaltsamen Übergriffen auf Polizisten, Rettungskräfte und Ehrenamtliche. Diese Angriffe nehmen besonders bei Großveranstaltungen, wie jüngst bei einer Pro-Hamas-Demonstration im Berliner Bezirk Neukölln, zu. Bei dieser Demonstration brannten Barrikaden und Einsatzkräfte wurden laut Polizei mit Pyrotechnik und Steinen beworfen. Diese Eskalationen haben zu einer intensiven politischen Debatte über den richtigen Umgang mit Gewalt gegen Beamte geführt.

Bundestagsdebatte über schärfere Strafen

Im Bundestag wird derzeit über verschiedene Gesetzesinitiativen diskutiert, die härtere Strafen für Angriffe auf Einsatzkräfte vorsehen. So fordert die Union beispielsweise eine Verdopplung der Mindeststrafe für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte von derzeit drei auf sechs Monate Haft. Das Ziel dieser Strafverschärfung ist es, potenzielle Täter abzuschrecken und ein klares Signal zu setzen, dass Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte inakzeptabel sind.

Kritik von Experten: "Härtere Strafen sind keine Lösung"

Trotz der politischen Bemühungen fordern Experten jedoch einen anderen Ansatz. So betonen Strafverteidiger und Kriminologen, dass höhere Strafen allein nicht ausreichen, um die Gewalt zu stoppen. Udo Vetter, ein Strafverteidiger aus Düsseldorf, kritisiert die geplanten Verschärfungen als „Augenwischerei“. „Alle relevanten Taten sind bereits strafbar und teilweise mit hohen Haftstrafen belegt“, so Vetter. Ähnlich argumentiert auch Gül Pinar, Rechtsanwältin und Strafrechtsexpertin des Deutschen Anwaltvereins, die darauf hinweist, dass die bestehenden Gesetze oft nicht konsequent genug durchgesetzt werden.

Forderung nach schnellerer Strafverfolgung

Ein zentrales Problem, das von Experten immer wieder betont wird, ist die Überlastung von Polizei und Justiz. Oft vergehen Jahre, bis Straftaten überhaupt vor Gericht landen und die Täter verurteilt werden. „Es dauert viel zu lange, bis Straftaten zur Anklage gebracht werden. In einigen Fällen vergehen bis zu zwei Jahre, bevor ein Prozess beginnt“, erklärt Pinar. Für viele Täter hat dies den Effekt, dass sie keine unmittelbaren Konsequenzen ihrer Taten zu spüren bekommen, was die abschreckende Wirkung der Strafen erheblich mindert.

Psychologischer Aspekt: Sofortige Konsequenzen wichtiger als hohe Strafen

Friedrich Lösel, Psychologe und Kriminologe an den Universitäten Erlangen und Cambridge, betont, dass die Höhe der Strafe nur einen geringen Einfluss auf das Verhalten potenzieller Täter hat. „Entscheidend ist, dass Täter sofort merken, dass sie mit ihrer Tat nicht durchkommen“, so Lösel. Schnelles und konsequentes Handeln der Polizei und Justiz sei daher wesentlich effektiver, um künftige Straftaten zu verhindern. „Strafverschärfungen sind nur eine Verschleierung der eigentlichen Probleme, anstatt die Ursachen der Gewalt anzugehen“, kritisiert er.

Ursachen der Gewalt: Überlastung der Behörden

Das eigentliche Problem liegt nach Ansicht vieler Experten nicht in zu milden Strafen, sondern in der unzureichenden Ausstattung und Überlastung der Polizei und Gerichte. Es fehlt an Personal und Ressourcen, um die Gesetze konsequent anzuwenden und durchzusetzen. Vetter fordert daher eine deutliche Verstärkung der Justiz und Polizei, um sicherzustellen, dass Straftaten schneller verfolgt und geahndet werden können.

Politische Reaktionen und mögliche Lösungen

Die politische Reaktion auf die Forderungen der Experten ist gespalten. Während einige Politiker weiterhin auf härtere Strafen setzen, plädieren andere für eine umfassende Reform der Justiz und Polizei, um die bestehenden Gesetze effizienter durchzusetzen. Eine Möglichkeit, die in der Debatte häufig genannt wird, ist die Schaffung von speziellen Taskforces, die sich auf die Verfolgung von Gewalt gegen Einsatzkräfte konzentrieren sollen.