Autozulieferer in der Krise: ZF streicht bis zu 14.000 Stellen in Deutschland
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Autozulieferer in der Krise: ZF streicht bis zu 14.000 Stellen in Deutschland

Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen steht vor einer schweren Krise. Die Umstellung zur Elektromobilität und der zunehmende Wettbewerb belasten das Unternehmen stark. Um dieser Situation zu begegnen, plant ZF drastische Maßnahmen, einschließlich der Streichung von bis zu 14.000 Stellen in Deutschland bis 2028.

Herausforderungen durch die Elektromobilität

ZF, bekannt für seine Getriebe, kämpft mit der Transformation zur Elektromobilität. Das Unternehmen beschreibt einen "Teufelskreis" aus unverkauften Elektroautos, starkem Druck durch chinesische Wettbewerber und sinkenden Abrufzahlen. Diese Faktoren führen zu ausbleibenden Skaleneffekten und weiteren wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Zusätzlich hat ZF Probleme, die Preis- und Qualitätsanforderungen seiner Kunden zu erfüllen, was den Ruf als zuverlässiger Geschäftspartner beeinträchtigt.

Geplante Maßnahmen zur Krisenbewältigung

Um der Krise zu begegnen, hat ZF entschieden, bis zu 14.000 Stellen in Deutschland zu streichen. Das entspricht einem Abbau von fast 26 Prozent der aktuellen Belegschaft von 54.000 Mitarbeitern. Zusätzlich sollen Werke und Produktionen zu Standortverbünden zusammengelegt werden, wobei weitere Fabrikschließungen nicht ausgeschlossen sind. ZF prüft zudem die Ausgliederung der Sparte für Elektromobilität, da die Industrialisierung der Komponenten in diesem Bereich allein nicht mehr bewältigt werden kann.

Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden

ZF-Vorstandsvorsitzender Holger Klein betont die unternehmerische Verantwortung, ZF zukunftsfähig auszurichten und die Standorte in Deutschland wettbewerbsfähig zu halten. Dies erfordere schwierige, aber notwendige Entscheidungen, bei denen bestmögliche Lösungen für alle Beteiligten angestrebt werden.

Stellenabbau und betroffene Bereiche

Die genaue Anzahl der abzubauenden Stellen hängt von der Marktentwicklung und den Standortbedingungen ab. Ein Großteil der Reduktionen wird in der Produktion stattfinden, gefolgt von Forschung und Entwicklung sowie der Verwaltung. ZF plant, durch natürliche Fluktuation, Altersteilzeitangebote und Abfindungsprogramme Stellen abzubauen, schließt jedoch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Fokus auf die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien

Am stärksten betroffen ist die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, in der rund 21.000 Menschen arbeiten. Diese Sparte spürt die Folgen der Transformation weg von Verbrennungsmotoren hin zu batterieelektrischen Fahrzeugen am deutlichsten. ZF hat in den letzten Jahren Aufträge für elektrische Komponenten im Wert von über 30 Milliarden Euro angenommen, jedoch zu Bedingungen, die eine profitable Industrialisierung erschweren.

Herausforderungen im Wettbewerb

Der hohe Margendruck im Automobilbereich erschwert die Querfinanzierung der noch wenig margenstarken rein elektrischen Antriebe durch konventionelle und Hybridantriebe. ZF sieht sich einer eklatanten Nachfrageschwäche nach rein elektrischen Fahrzeugen gegenüber, was zu Überkapazitäten in den Produktionslinien führt.

Beispiel eines Wechselrichters für Elektroautos

Ein Beispiel verdeutlicht die problematische Situation: Ein Wechselrichter für Elektroautos, den ZF für einen europäischen Autohersteller in Serbien produziert, kostet 500 bis 600 Euro. Chinesische Wettbewerber bieten ähnliche Modelle jedoch für 250 Euro an, was ZF vor erhebliche Wettbewerbsnachteile stellt.

ZF prüft Kooperationen und starke Partnerschaften

Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen AG befindet sich in einer tiefgreifenden Transformation, insbesondere in seiner Elektromobilitätsdivision. Neben dem laufenden Stellenabbau setzt ZF verstärkt auf Kooperationen und Partnerschaften, um zukunftsfähige Produkte für die Elektromobilität zu entwickeln und zu industrialisieren. Die Unternehmensführung untersucht alle möglichen Optionen, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von ZF langfristig zu sichern.

Aktueller Stand in der Elektromobilitätsdivision

Der Stellenabbau in der Elektromobilitätsdivision ist bereits in vollem Gange. In den Bereichen Forschung und Entwicklung werden Ingenieure angesprochen, um über ein freiwilliges Ausscheiden gegen eine Abfindung zu verhandeln. Teamleiter sollen Mitarbeiter, deren Projekte auslaufen, der sogenannten Personaldrehscheibe melden. Diese Maßnahmen zur Kostenreduktion allein werden jedoch nicht ausreichen, um die Division zukunftsfähig zu machen. ZF benötigt externe Unterstützung, um wettbewerbsfähige Produkte für die Elektromobilität zu entwickeln und zu industrialisieren.

Prüfung von Kooperationen und Partnerschaften

ZF prüft verschiedene Formen der Zusammenarbeit, um die Zukunft der Elektromobilität zu sichern. Dies umfasst technologische Kooperationen, bei denen Entwicklungskosten mit Partnern geteilt werden, die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen sowie potenzielle Börsengänge. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand beauftragt, alle Optionen zu analysieren. Dabei ist entscheidend, dass ZF weiterhin Zugang zu den Technologien behält, um sie in anderen Geschäftsbereichen nutzen zu können.

Strategische Neuausrichtung und Investitionen

Trotz der aktuellen Marktsituation betont ZF-Chef Klein, dass die Elektromobilität die Zukunft gehört und ZF weiterhin stark in diesen Bereich investieren wird. Die Notwendigkeit externer Finanzierungen in der Elektromobilitätsdivision markiert einen tiefen Einschnitt für das Unternehmen, das traditionell auf seine eigenen Ressourcen gesetzt hat.

Herausforderungen für die Getriebeproduktion

Besonders betroffen von den Umstrukturierungen ist die Getriebeproduktion für Premiumfahrzeuge, die über viele Jahre den Weltruf von ZF mitgeprägt hat. Das 8HP-Getriebe war der Standard in hochpreisigen Fahrzeugen. Die aktuellen Veränderungen treffen vor allem langjährige ZF-Ingenieure hart, die stolz auf diese Erfolgsgeschichte zurückblicken.

Fabriken sollen zu Standortverbünden zusammengelegt werden

ZF konzentriert sich zukünftig auf vier Hauptdivisionen: Fahrwerkskomponenten, Lastwagentechnik, Industrie mit Windkraft sowie den Aftermarkt. Diese Fokussierung erfordert eine grundlegende Reform der Werksstrukturen in Deutschland. Aufgrund des starken Wachstums in den letzten 15 Jahren und zahlreicher Übernahmen, wie die von TRW und Wabco, verfügt ZF über viele kleine und oft ineffiziente Werke. Die bisherigen Strukturen müssen konsolidiert und effizienter gestaltet werden.

Einführung eines einheitlichen Datensystems

Ein weiterer bedeutender Schritt war die Einführung eines einheitlichen Datensystems, das ZF-Chef Klein seit seinem Amtsantritt im Januar 2023 umgesetzt hat. Vorher konnten die Werke ihre Profitabilität unterschiedlich berechnen und melden, was Vergleiche erschwerte. Jetzt ermöglicht das neue System einen besseren Überblick und Vergleich der einzelnen Standorte.

Ziel: Leistungsfähiges Produktionsnetzwerk und effiziente Organisation

Das Hauptziel der Umstrukturierung ist die Zusammenlegung der Fabriken zu Standortverbünden, die sich sowohl Verwaltung als auch Produktion teilen. Dadurch sollen Synergien genutzt und die Effizienz gesteigert werden. Bei fehlender langfristiger Perspektive oder mangelnder Wettbewerbsfähigkeit sind auch Restrukturierungen oder Schließungen einzelner Standorte möglich.

Vorbereitung des Deutschland-Projekts

Die Vorbereitungen für das umfassende Reformprojekt in Deutschland laufen bereits seit gut einem Jahr. Bei einer Telefonkonferenz mit 3000 ZF-Managern beschrieben Peter Laier und Lea Corzilius die Produktionslandschaft als „kleinteilig, ineffizient und wenig flexibel“. Standorte, die ein Bruttoergebnis von zehn Prozent des Standortumsatzes erwirtschaften, gelten als wettbewerbsfähig. ZF plant zudem ein Effizienzprogramm, um die Kosten bis Ende 2024 um rund sechs Milliarden Euro zu senken.

Phase der grundlegenden Neuausrichtung bei ZF

ZF befindet sich seit über zwei Jahren in einer umfassenden Phase der Neuausrichtung. Das Unternehmen, das 2023 weltweit 169.000 Mitarbeiter beschäftigte und einen Umsatz von 46,6 Milliarden Euro bei einer operativen Rendite (Ebit) von 5,1 Prozent erwirtschaftete, hat sich von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten getrennt. Dies umfasst den Verkauf des Ingenieurdienstleisters Asap und des Beratungsunternehmens Tsetinis. Vor allem aber hat ZF kostenintensive Projekte eingestellt, bei denen klar war, dass auf absehbare Zeit keine signifikanten Ergebnisbeiträge zu erwarten sind. Besonders betroffen ist die Entwicklung und der Bau eigener autonomer Shuttles, die von ZF-Chef Klein als nicht profitabel eingestuft wurden.

Partnerschaften und Ausgliederungen

Vor fast einem Jahr initiierte Klein eine Partnerschaft mit dem taiwanischen Elektronikkonzern Foxconn, um die Produktion von elektrischen Achsen in ein Gemeinschaftsunternehmen zu überführen. Zudem wurde der Geschäftsbereich Passive Sicherheit, der die profitable Airbag-Produktion umfasst, ausgegliedert. Ziel dieser Maßnahmen ist ein Verkauf oder Börsengang, um die durch Übernahmen entstandenen hohen Schulden zu reduzieren. Dieses Vorgehen könnte künftig auch als Modell für die Elektromobilitätssparte dienen.

Reaktionen der Arbeitnehmerseite

Die Arbeitnehmerseite war für eine aktuelle Stellungnahme nicht verfügbar. Im Juni kündigte der Gesamtbetriebsrat in einem Gespräch mit der F.A.Z. entschiedenen Widerstand an, sollte ZF weitere Standortschließungen oder Verlagerungen von Produktionen ins Ausland planen. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Achim Dietrich, betonte: „Wir verschließen die Augen nicht vor der aktuellen wirtschaftlichen Situation von ZF. Grundsätzlich sind wir offen für Maßnahmen, die das Unternehmen nachhaltig sichern und wettbewerbsfähiger machen. Dies zeigen auch die aktuellen Vereinbarungen an Standorten und auf Konzernebene. Wir sind bereit mitzugestalten.“ Gleichzeitig warnte er jedoch vor Maßnahmen, die auf Kostensenkungen durch Verlagerungen in Billiglohnländer, blinde Bestandsreduzierungen, Einstellstopps, Stellenabbau und Standortschließungen abzielen. „Wenn das Unternehmen aber meint, die vermeintlichen Lösungen liegen in Billiglohnländern, in blinden Bestandsreduzierungen, Einstellstopps, im Stellenabbau mit der Heckenschere und Leistungsverdichtung, in Standortschließungen, dann halten wir dagegen – getreu dem Motto: Zukunft oder Widerstand.“

Zukunftsperspektiven und interne Kommunikation

Das Wort „Zukunft“ spielt in der internen Kommunikation von ZF eine zentrale Rolle. In einem Intranet-Beitrag für die Mitarbeiter betonte das Unternehmen: „Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Jahre 2024 und 2025 für unsere Zukunft absolut entscheidend sein werden.“ Diese Aussage könnte für die Mitarbeiter, die täglich an den Bildschirmen ihrer ZF-Laptops arbeiten, ähnlich bedrohlich wirken wie die Warnungen des Betriebsrats für den Vorstand. Die kommenden Jahre sind also nicht nur für die strategische Ausrichtung des Unternehmens, sondern auch für die Sicherung der Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung.