Die momentane Situation bei Volkswagen sorgt nicht nur bei den 110.000 Beschäftigten in den deutschen Werken für große Unsicherheit. Die drohenden Werksschließungen und betriebsbedingten Kündigungen elektrisieren das ganze Land und werfen die Frage auf, wie es mit Europas größtem Autobauer weitergeht. Die aktuelle Lage bei VW ist nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung, sondern auch ein Machtspiel, das weitreichende Konsequenzen haben könnte.
Das drohende Job-Beben bei Volkswagen
Volkswagen steht vor einem massiven Umstrukturierungsprozess, der Auswirkungen auf Tausende von Arbeitsplätzen haben könnte. Die Angst vor Werksschließungen und betriebsbedingten Kündigungen hat sich bereits unter den Mitarbeitern breitgemacht. Der Vorstand hat angekündigt, Werksschließungen nicht mehr auszuschließen und die bisherige Beschäftigungsgarantie bis 2029 aufzugeben. Diese Entwicklungen haben zu einem erbitterten Widerstand von Betriebsrat und IG Metall geführt.
Szenarien 1: Die Taktik-Strategie
Eine Möglichkeit, wie die Situation bei Volkswagen sich entwickeln könnte, ist die Taktik-Strategie. Der Konzern steht unter erheblichem wirtschaftlichen Druck. Es wird erwartet, dass VW bis 2026 mehr als 10 Milliarden Euro einsparen muss. Zudem betrug die Rendite laut „Handelsblatt“ nur 2,3 Prozent im ersten Halbjahr 2024. Angesichts dieser finanziellen Herausforderungen passt die Forderung nach einer Lohnerhöhung von sieben Prozent, die im Zuge der bevorstehenden Tarifverhandlungen im Oktober aufgebracht wurde, nicht in das Bild.
Der Druck auf den Konzern ist enorm, und es besteht die Möglichkeit, dass die harten Forderungen von Konzernchef Oliver Blume und dem Markenchef VW Pkw, Thomas Schäfer, letztendlich zu einer Nullrunde führen könnten. Branchenkenner bewerten die Situation als extrem angespannt und halten die Ankündigungen für mehr als nur eine Drohkulisse. Aus Unternehmenskreisen wird jedoch betont, dass die Drohungen zu extrem seien, um lediglich eine Scheindrohkulisse darzustellen.
Szenarien 2: Das All-in-Risiko
Ein weiteres mögliches Szenario ist das All-in-Risiko, bei dem der Vorstand alles auf eine Karte setzt und den Machtkampf mit dem Betriebsrat und der IG Metall bis zum bitteren Ende führt. Dieses Vorgehen ist jedoch äußerst riskant. Die Arbeitnehmerseite, die zusammen mit dem Land Niedersachsen die Mehrheit im Aufsichtsrat stellt, hat bereits in der Vergangenheit mehrere VW-Bosse zu Fall gebracht.
Die wirtschaftlichen Zwänge, mit denen Volkswagen konfrontiert ist, sind unbestritten. Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR), äußerte gegenüber dem „Spiegel“, dass Werksschließungen „kein Weg vorbei“ führen werden. Dies könnte tatsächlich dazu führen, dass ein fahrzeugproduzierendes Werk und ein Komponenten-Standort geschlossen werden müssen. Um dies zu ermöglichen, müsste VW den Tarifvertrag zur Beschäftigungsgarantie kündigen, um betriebsbedingte Kündigungen aussprechen zu können.
Szenarien 3: Die Kompromiss-Variante
Das dritte Szenario ist die Kompromiss-Variante. In der Vergangenheit hat Volkswagen Personal immer sozialverträglich abgebaut, etwa durch Altersteilzeit oder Abfindungen. Für das Jahr 2024 hat der Konzern bereits 900 Millionen Euro für den Personalabbau zurückgestellt. Ein möglicher Kompromiss könnte die Ausweitung dieser Programme beinhalten, um noch mehr ältere und teurere Beschäftigte abzubauen, auch wenn die Einsparungen erst zu einem späteren Zeitpunkt spürbar wären.
Zusätzlich könnte das Unternehmen die Produktion herunterfahren, Nachtschichten streichen und Werke „gesundschrumpfen“. Derzeit arbeiten bereits mehrere Werke nur im Zwei-Schicht-Betrieb. IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger drängt auf zügige Verhandlungen. In einem Interview mit BILD betonte er: „Wir wollen schnell an einen Tisch. Die Leute brauchen Sicherheit.“ Er fügte hinzu: „Bislang war es immer Konsens, Probleme ohne Werksschließungen und Massenentlassungen zu lösen.“