So sieht der Volkswagen radikalen Umbau aus: Jobabbau, Werksschließungen und Lohnkürzungen
Featured

So sieht der Volkswagen radikalen Umbau aus: Jobabbau, Werksschließungen und Lohnkürzungen

Am Montagabend 28.10.2024, gingen Tausende Volkswagen-Mitarbeiter in Deutschland auf die Straße. Mit Fackeln und Transparenten forderten sie vor den Werkstoren in Wolfsburg, Zwickau, Dresden und Osnabrück höhere Löhne und sichere Arbeitsplätze. Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, zeigte sich besorgt und kämpferisch zugleich: "Niemand von uns kann sich hier noch sicher fühlen!" Hintergrund ist ein tiefgreifender Umstrukturierungsplan des Konzerns, der von Vorstandsvorsitzendem Oliver Blume angekündigt wurde. Blume verfolgt einen harten Sparkurs, der Werksschließungen und eine Reduktion der Belegschaft umfassen soll, um die hohen Kosten in Deutschland zu senken.

Historische Probleme und politische Verstrickungen als Ursachen der Krise

Blume prangerte bei einem öffentlichen Auftritt die langjährigen strukturellen Probleme bei VW an. Aufgrund der schwachen Marktnachfrage in Europa und des Rückgangs der Einnahmen aus dem chinesischen Markt sieht der Vorstand gravierende Missstände, die in den letzten Jahrzehnten ungehindert gewachsen sind. Ein entscheidender Faktor sind dabei die engen Verbindungen zur Politik, die durch das sogenannte VW-Gesetz seit 1960 fest verankert sind. Diese politische Einmischung habe dazu geführt, dass der Konzern an Effizienz verloren und sich zu sehr auf Bürokratie und traditionelle Strukturen gestützt habe. Diese Mängel, so Blume, stehen nun im Weg, wenn VW auf die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen reagieren will.

VW-Konzern kämpft mit hohen Kosten und sinkenden Gewinnen

Obwohl der Umsatz des Konzerns leicht über dem Vorjahreswert liegt und die neuen Modelle bei den Kunden gut ankommen, sieht sich VW mit enormen finanziellen Belastungen konfrontiert. So sind die operativen Gewinne um über 20 Prozent gesunken, was den Vorstand zu drastischen Maßnahmen zwingt. Ein entscheidender Faktor sind die hohen Arbeitskosten in Deutschland, die im Vergleich zu anderen europäischen Standorten mehr als doppelt so hoch ausfallen. Blume betonte, dass VW auf Dauer mit diesen Kostenstrukturen international nicht wettbewerbsfähig bleiben könne.

Historische Fehlentscheidungen bringen VW in die Krise

Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, wie es zu der aktuellen Krise kommen konnte. Der Diesel-Skandal belastete den Konzern mit 32 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen. Hinzu kamen strategische Fehler unter dem früheren Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess. Er entschied sich, das Plattformmodell von VW zu verwerfen, was zu langen Entwicklungszeiten führte. Dies machte sich vor allem beim Elektrofahrzeug ID.3 bemerkbar, das mit mehreren Jahren Verzögerung und erheblichen Qualitätsmängeln auf den Markt kam. Auch der Golf 8, der 2019 auf den Markt kam, konnte keine Innovationen bieten und trug somit kaum zur Stärkung der Marke bei.

Ein weiterer kostspieliger Fehler war der Aufbau einer eigenen Software-Einheit mit zehntausenden Entwicklern, deren Leistung jedoch nicht mit den Investitionen mithalten konnte. Die VW-Software blieb hinter den Erwartungen zurück und stellte den Konzern vor weitere technische und finanzielle Herausforderungen. Die Folge: Ein drastischer Gewinneinbruch von 64 Prozent und ein schwindendes Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Einsparmaßnahmen und Umstrukturierungen: So will Blume VW sanieren

Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten plant Blume umfassende Einsparmaßnahmen und einen Stellenabbau. Dazu gehört ein sofortiger Einstellungsstopp und die Reduktion der Ausbildungsplätze. Durch eine verstärkte Nutzung der demografischen Kurve – also das Nichtnachbesetzen von Stellen durch Pensionierungen – sollen natürliche Abgänge die Personalkosten senken. Zusätzliche Abfindungspakete und Frühverrentungen für die Jahrgänge 1961-1967 werden ebenfalls angeboten. Außerdem soll das Bonus-System überarbeitet und Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld reduziert werden.

Weitere Einschnitte sind bei den indirekten Personalkosten geplant. Zuschüsse für Bahnkosten und der Rabatt für Werksautos stehen zur Diskussion. Für langjährige Mitarbeiter, die kurz vor einem Betriebsjubiläum stehen, könnte der Treuebonus von bis zu drei Monatsgehältern entfallen. Zusätzlich sollen Material- und Produktkosten gesenkt sowie Fixkosten und Fertigungskosten angepasst werden. Auch die Preise in Vertrieb und Werkstätten könnten ansteigen, um die Einnahmen zu steigern.

Forderungen an die Belegschaft: Einschnitte akzeptieren für eine stabile Zukunft

VW-Personalvorstand Gunnar Kilian betonte in einer Stellungnahme die Dringlichkeit der Situation. Er sprach von einer "historischen Weichenstellung für Volkswagen" und appellierte an die Belegschaft, die geplanten Einschnitte zu akzeptieren, um die Zukunft des Konzerns zu sichern. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen, insbesondere in Deutschland, sei schwach, und VW sehe sich gezwungen, die Überkapazitäten in den Werken abzubauen. Nur durch die Bereitschaft zu Veränderungen könne VW in eine wettbewerbsfähige Zukunft investieren und seinen Erfolg langfristig sichern.

Volkswagen und die Herausforderungen der Automobilbranche

Volkswagen steht nicht allein mit seinen Problemen. Die gesamte Automobilbranche befindet sich im Umbruch und kämpft mit den Folgen der Energiewende, verschärften Umweltauflagen und der Umstellung auf Elektromobilität. Doch der Volkswagen-Konzern besitzt die Ressourcen und das Potenzial, diesen Negativtrend umzukehren und wieder zu einem Motor der deutschen Wirtschaft zu werden.