Olaf Scholz steht überraschenderweise im Mittelpunkt des diesjährigen Nato-Gipfels. Deutschland, als Mittelmacht, erlangt offenbar mehr weltpolitische Bedeutung. Scholz startete den Gipfel mit zahlreichen Treffen: Großbritanniens Premier Keir Starmer, der ukrainische Präsident Wolodomir Selenski, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der südkoreanische Ministerpräsident Han Duck-soo. Auch ein Gespräch mit US-Senatoren war geplant.
Deutschland und internationale Verantwortung
In Washington wird Scholz als gefragter Gesprächspartner wahrgenommen. Aus Delegationskreisen heißt es, dass international der Wunsch besteht, Deutschland solle mehr Verantwortung übernehmen. Scholz selbst betrachtet Deutschland nicht als globale Führungsmacht. Aufgrund der historischen Verantwortung hält er Zurückhaltung für notwendig. Deutschland hat als größte Wirtschaftsmacht Europas eine „besondere Verantwortung“, doch im Vergleich zu USA oder China bleibt es eine Mittelmacht.
Die politische Lage in anderen Ländern
Viele Wahlen in diesem Jahr schwächen einige wichtige Partner. Obwohl Frankreich einen Rechtsrutsch vermied und Großbritannien stabiler wirkt, sind die politischen Zukünfte in Paris und London ungewiss. Besonders bedrohlich könnte eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps im November sein, da dies die Unterstützung für die Ukraine gefährden und die Nato destabilisieren könnte.
Deutschlands Rolle als Stabilitätsanker
Auf dem Nato-Gipfel bewirbt Scholz Deutschland als verlässlichen Partner. Er betont, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Nato kein Nullsummenspiel ist und dass Deutschland zunehmend seinen Beitrag leistet. Deutschland gilt als „Stabilitätsanker“. Im Gespräch mit US-Senatoren hob Scholz die gestiegenen Verteidigungsausgaben und das Erreichen des Zweiprozentziels hervor. Zudem baut Deutschland eine neue Brigade in Litauen auf und übernimmt in Rostock das Kommando über den Ostseeraum.
Initiativen für Waffenlieferungen
Gleich zu Beginn des Nato-Gipfels sicherten fünf Länder, darunter Deutschland und die USA, der Ukraine weitere Waffenlieferungen zu, um die Luftunterstützung zu stärken. Diese Initiative ging von Deutschland aus. Präsident Selenski dankte Scholz für die Zusagen, auch wenn er sich mehr gewünscht hätte. Noch im Sommer sollen F-16-Kampfjets in der Ukraine eingesetzt werden. Die Nato stellte sicher, dass der Weg der Ukraine ins Bündnis als „irreversibel“ bezeichnet wird.
Gespräche mit anderen Staatsoberhäuptern
Scholz bemühte sich um die deutsch-britischen Beziehungen und plante einen Antrittsbesuch Starmers in Berlin. Das Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten zeigte die verstärkte Fokussierung der deutschen Außenpolitik auf Asien. Scholz besuchte Südkorea bereits im vergangenen Jahr, um angesichts der zunehmenden Aggression Chinas Verbündete im Indo-Pazifik-Raum zu gewinnen. Südkorea ist als großer Waffenlieferant von Bedeutung.
China und die Nato
China war ein zentrales Thema der ersten Nato-Arbeitssitzung. Die Unterstützung Russlands durch China im Ukraine-Krieg „widerspricht dem Kern deutscher Sicherheitsinteressen“, hieß es im Vorfeld des Gipfels.
Beziehungen zur Türkei
Mit Erdogan diskutierte Scholz hauptsächlich über Flüchtlingspolitik und ein mögliches EU-Türkei-Abkommen. Die Beziehungen zur Türkei sind schwierig, was sich auch daran zeigte, dass Erdogan den Nato-Beitritt Schwedens bis vor kurzem blockierte. Erstmals traten beim Gipfel 32 Nato-Staaten zusammen, nachdem Finnland und Schweden dem Bündnis beigetreten waren.
Nato: Erfolgreichstes Sicherheitsbündnis
Zum 75. Geburtstag der Nato bezeichnete Scholz das Bündnis als das „erfolgreichste Sicherheitsbündnis in der Geschichte“. Trotz des Jubiläums müssen aktuelle Aufgaben im Fokus bleiben. Am Rande des Gipfels berichtete CNN von möglichen Terroraktionen russischer Saboteure, weshalb das Pentagon die Sicherheitsprotokolle der US-Stützpunkte in Europa verschärfte.