Söder im Sommerinterview: Weniger Schutz für Geflüchtete - geht das?
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Söder im Sommerinterview: Weniger Schutz für Geflüchtete - geht das?

Im ZDF-Sommerinterview spricht Markus Söder, CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident, über Migration und fordert eine deutliche Zunahme an Ausweisungen von syrischen und afghanischen Flüchtlingen.

"Kaum mehr Asylverfahren"

Laut Söder werden in Deutschland kaum noch Asylverfahren durchgeführt. Diese Behauptung wirft Fragen auf, insbesondere im Hinblick darauf, wie viele Menschen tatsächlich als Flüchtlinge anerkannt werden und wie viele subsidiären Schutz erhalten.

Jeder Asylantrag wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geprüft, ob einer der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – zutrifft. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, subsidiären Schutz erhalten Menschen, die im Herkunftsland ernsten Schaden wie Todesstrafe oder Folter zu erwarten haben.

Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Von Januar bis Juni 2024 wurden laut BAMF insgesamt 20.476 Entscheidungen zur Rechtsstellung als Flüchtling getroffen. Dabei wurden 919 Menschen als Asylberechtigte anerkannt, während 42.627 Entscheidungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz getroffen wurden.

Im Vergleich der Zahlen erscheint Söders Aussage nachvollziehbar, betrachtet man nur die Zahl der Asylberechtigten. Die überwiegende Mehrheit erhält jedoch subsidiären Schutz.

Forderung nach Ausweisungen nach Syrien und Afghanistan

Söder fordert, dass auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben wird. Dabei kritisiert er, dass sich Deutschland hinter rechtlichen Argumenten verschanze, die seiner Meinung nach nicht zutreffen.

Rechtliche Hürden bei Abschiebungen

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags betont, dass Ausweisungen nach Syrien und Afghanistan sowohl nach deutscher als auch nach europäischer Rechtsprechung problematisch sind. Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet Ausweisungen, wenn ernsthafte Gefahr durch Folter, unmenschliche Behandlung oder Todesstrafe droht.

Aufgrund der desolaten Sicherheits- und humanitären Lage in diesen Ländern ist Artikel 3 der EMRK ein wesentlicher Hinderungsgrund für Abschiebungen. Dennoch wird jeder Einzelfall individuell geprüft, wobei die deutsche Gerichtsbarkeit zu unterschiedlichen Urteilen kommt.

Praktische Hürden

Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan stehen nicht nur vor hohen rechtlichen, sondern auch vor praktischen Hürden. Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu den Taliban, und auch Rückführungen nach Syrien gestalten sich schwierig, da die syrische Regierung bekanntermaßen foltert und abgeschobene Straftäter als Druckmittel nutzen könnte.

Gespräche mit Afghanistan und Syrien

Söder fordert, dass Deutschland mit Afghanistan und Syrien über Rückführungen sprechen müsse. Mit den Taliban gibt es derzeit jedoch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen, und auch die syrische Regierung ist kein verlässlicher Ansprechpartner.

Fazit von Experten

Kay Hailbronner, Asylrechtsexperte und Professor an der Universität Konstanz, betont, dass Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien unter den aktuellen rechtlichen Bedingungen meist scheitern. Ausnahmen in Einzelfällen dienen lediglich der politischen Imagepflege.

Insgesamt bleibt die Forderung nach vermehrten Ausweisungen, insbesondere nach Syrien und Afghanistan, sowohl rechtlich als auch praktisch höchst umstritten.