Ein einziger Wahlgang am morgigen Donnerstag entscheidet über Ursula von der Leyen
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Ein einziger Wahlgang am morgigen Donnerstag entscheidet über Ursula von der Leyen

Es ist der Wahlkrimi des Jahres: Fünf fiese Fallen für Ursula von der Leyen. Schafft EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die absolute Mehrheit im EU-Parlament und sichert sich ihre zweite Amtszeit? Oder jubeln am Donnerstagnachmittag ihre Gegner am linken und rechten Rand, weil die Deutsche ihr Amt verliert? Von der Leyen gilt in der geheimen Wahl, die um 13 Uhr stattfindet, als Favoritin. Ihre Strategen halten 365 Stimmen für bombensicher – vier mehr, als sie braucht. Heißt aber auch: Wenn sich nur eine Handvoll der 720 Abgeordneten umentscheidet, steht es plötzlich Spitz auf Knopf. Über diese fünf Fallen kann von der Leyen noch stolpern.

Falle 1: Zu große Siegesgewissheit

Kaum jemand in Brüssel will sich vorstellen, dass die EU in Zeiten von Wladimir Putin und Donald Trump führungslos ins zweite Halbjahr taumelt. Zumal Ursula von der Leyen Spitzenkandidatin der EVP (Christdemokraten) bei der Europawahl war – und das Parlament nach der Macron-Merkel-Mauschelei 2019 geschworen hat, kein zweites Mal eine Hinterzimmer-Lösung mitzutragen.

Allerdings: Gerade weil der Sieg immer sicherer scheint, könnten die weniger Überzeugten ins Grübeln geraten. Vor allem, wenn die Bewerbungsrede am Vormittag (9 Uhr) nicht sitzt. Motto: „Auf meine Stimme kommt es ja doch nicht an.“

Falle 2: Abweichler im eigenen Lager

Glaubt man dem Umfeld von EVP-Chef Manfred Weber (51, CSU), sind im eigenen Lager mit 188 Stimmen kaum Abweichler zu befürchten. Allerdings hat Ursula von der Leyens holprige Nominierung in Bukarest gezeigt: Nicht all ihre internen Gegner kämpfen mit offenem Visier. Ausschließen kann niemand, dass Landsleute möglicher Ersatzkandidaten nicht doch noch putschen. Ein Insider zu BILD: „Für knallende Sektkorken ist es zu früh“.

Falle 3: Der Frust der Verbündeten

Von der Leyens Bündnis-Partner, die EU-Sozialdemokraten und vor allem die Renew-Fraktion (Liberale), haben bei der Europawahl verloren. Umso halsstarriger sind ihre Forderungen: Die Sozialisten beharren u.a. auf eine scharfe Brandmauer nach rechts, auch zu Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni.

Den Liberalen reichen die bisherigen Zusagen nicht. Der EU-Abgeordnete Moritz Körner (33, FDP) sagt zu BILD: „Wenn von der Leyen neue EU-Gemeinschaftsschulden nicht ausschließt, ihr Verbrennerverbot nicht zurücknimmt, messbar mehr Bürokratieabbau und einen deutlich konsequenteren Schutz der Rechtsstaatlichkeit garantiert, kommt sie als Kommissionspräsidentin nicht infrage.“

Falle 4: Die Wackel-Grünen und Poker-Populisten

Ursula von der Leyen hat zuletzt auch bei Grünen und Melonis „pro-europäischen“ Rechtsaußen um Stimmen geworben. Die Grünen – ebenfalls Wahlverlierer – wollen vor allem den „Green Deal“ retten. Das will auch die EU-Chefin. Und eigentlich müsste von der Leyen punkten mit ihrer scharfen Reaktion auf die „Friedensmission“ von EU-Schreck Viktor Orbán bei Putin.

Doch das Misstrauen bleibt. Jüngstes Indiz: Etliche Grüne verweigerten am Dienstag Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) ihre Stimme. Und dabei zofft man sich mit der Malteserin nicht vor Gericht wie mit von der Leyen, die fünf Grünen-Abgeordnete gerade erfolgreich auf mehr Transparenz zur Corona-Impfstoff-Beschaffung verklagt haben. Melonis EKR-Fraktion ist gespalten, mögliche Unterstützer unter den Rechtspopulisten lassen von der Leyen bis zuletzt zappeln.

Falle 5: Die Schwänzer

Für Aufsehen sorgte in Straßburg der BILD-Bericht über die nahezu ausgebuchte Lufthansa-Maschine von Straßburg nach Frankfurt, die laut Flugplan um 14.05 Uhr abhebt – also dann, wenn über von der Leyens Zukunft noch gar nicht entschieden ist. Den Kurzflug nutzen Abgeordnete (verdienen über 10 000 Euro/Monat) gern, um einen Tag früher ins Wochenende zu starten. Pessimisten sagen voraus: Die Zahl von 14 Schwänzern vor fünf Jahren (als von der Leyen nur hauchdünn siegte) wird dieses Mal übertroffen.