Kleinunternehmer und Selbstständige fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Die Versprechen, die während der Pandemie gemacht wurden, wirken jetzt wie leere Worte. Olaf Scholz, der damalige Bundesfinanzminister, hatte betont, dass es "nichts" zurückzuzahlen gäbe. Doch nun fordert die Regierung Rückzahlungen von den Corona-Hilfen, was viele Unternehmer schockiert und in finanzielle Not bringt.
Über 400.000 Fälle betroffen
Ein Bericht des Verbunds von WDR, NDR und der Süddeutschen Zeitung deckte auf, dass mehr als 20 Prozent der Selbstständigen und Kleinunternehmer, die Soforthilfen während der Pandemie erhielten, diese teilweise oder vollständig zurückzahlen müssen. Das betrifft über 400.000 Fälle, bei denen zusammen rund fünf Milliarden Euro zu viel ausgezahlt wurden. Bereits 3,5 Milliarden Euro wurden zurückgezahlt, aber mehr als 1,5 Milliarden Euro sind noch offen.
Unterschiedliche Rückforderungen in den Bundesländern
Die Höhe der Rückforderungen variiert stark zwischen den Bundesländern. Dies führte zu Kritik und zahlreichen Klagen. Während in Berlin nur fünf Prozent der bewilligten Soforthilfen widerrufen wurden, liegt dieser Anteil in Nordrhein-Westfalen bei über 50 Prozent. Diese Unterschiede resultieren aus den unterschiedlichen Verfahren der Länder bei der Auszahlung und Überprüfung der Hilfen.
Existenzängste bei Kleinunternehmern
Die plötzlichen Rückforderungen haben viele Kleinunternehmer und Selbstständige in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Sie hatten angenommen, dass sie die Soforthilfen nicht zurückzahlen müssten, sofern sie die Voraussetzungen erfüllten. Rechtsanwältin Christina Oberdorfer, die eine Klägerin vertritt, betont, dass viele Betroffene nun ein zweites Mal um ihre Existenz fürchten. Das Wirtschaftsministerium behauptet jedoch, die Konditionen bereits im Vorfeld der Förderung 2020 "transparent kommuniziert" zu haben.
Kritik vom Bundesrechnungshof
Der Bundesrechnungshof kritisierte die "unklaren Anspruchsvoraussetzungen" und bemängelte, dass das Bundeswirtschaftsministerium zu Beginn der Pandemie nicht klar festgelegt habe, welche Ausgaben durch die Soforthilfen gedeckt werden sollten. Dies führte zu Verwirrung und Missverständnissen, da die Bedingungen für die Antragsberechtigung erst nach Beginn der Auszahlungen konkretisiert wurden.
Widerstand und Klagen
Der Widerstand gegen die Rückforderungen wächst. Bundesweit haben insgesamt 5.000 Betroffene Klageverfahren angestrengt, von denen etwa die Hälfte noch läuft. In Nordrhein-Westfalen haben bereits mehrere Gerichte Rückforderungsbescheide für rechtswidrig erklärt. Allein in Baden-Württemberg waren zwischenzeitlich eine dreistellige Zahl von Klagen bei den Verwaltungsgerichten anhängig, die sich gegen Bescheide richteten, in denen Rückzahlungen in vier- bis fünfstelliger Höhe gefordert werden.
Aktuelle Urteile und Ausblick
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat am 10. Juli in fünf von sechs Musterverfahren die Rückforderungsbescheide der Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank) aufgehoben. Die Urteilsbegründung steht noch aus, und das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen.