Bürgergeld wird zum zentralen Wahlkampf-Thema
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Bürgergeld wird zum zentralen Wahlkampf-Thema

In den letzten Wochen hat das Bürgergeld zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird zu einem zentralen Thema im Wahlkampf. Während sich die politischen Lager in Deutschland aufheizen, sind Union und FDP besonders aktiv in der Kritik und fordern immer drastischere Verschärfungen der Bürgergeld-Regeln. Im Gegensatz dazu setzen SPD und Grüne im Bundestag sich für Verbesserungen der Bedingungen für Langzeitarbeitslose ein. Dies geschieht besonders im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September.

Unterschiedliche Positionen der Parteien

Die politischen Fraktionen zeigen klare Unterschiede in ihren Positionen zum Bürgergeld. Die Union, vertreten durch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, schlägt vor, das Bürgergeld für sogenannte „Totalverweigerer“ – Personen, die angeblich kein Job-Angebot annehmen wollen – dauerhaft abzulehnen. Diese Zahl wird auf eine sechsstellige Menge geschätzt. SPD, Grüne und FDP lehnen diese Vorschläge als unseriös und verfassungswidrig ab. Der Konsens zwischen den Ampel-Parteien beschränkt sich auf die Ablehnung der Union-Vorschläge, während sie in anderen Aspekten unterschiedliche Wege verfolgen.

Reformen und Regelverschärfungen

Die Reformdebatte wird durch steigende Ausgaben und eine wachsende Zahl ausländischer Bürgergeld-Bezieher angeheizt. Es gibt eine weit verbreitete Wahrnehmung, dass das Arbeiten unter dem Bürgergeld weniger attraktiv erscheint. Dies führt dazu, dass SPD und Grüne bereit sind, Regelverschärfungen zu akzeptieren, um Einsparungen im Haushaltsplan von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu erreichen. Die geplanten Maßnahmen beinhalten eine pauschale Kürzung des Regelsatzes um 30 Prozent bei Regelverstößen sowie bei Schwarzarbeit. Zudem soll der Arbeitsweg für Bezieher verlängert werden, um neue Arbeitsplätze anzunehmen. Diese Vorschläge müssen jedoch noch vom Bundestag beschlossen werden, und in den Fraktionen von SPD und Grünen gibt es Widerstand gegen diese Maßnahmen.

Standpunkte der SPD und Grünen

Martin Rosemann, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, betont, dass sich die Diskussion auf eine sehr kleine Gruppe von Arbeitsunwilligen konzentriert, was vom eigentlichen Problem ablenke. Laut Rosemann haben 25 Prozent der Bürgergeldberechtigten keinen Schulabschluss, 75 Prozent keinen verwertbaren Berufsabschluss und über die Hälfte leidet an gesundheitlichen Problemen. Diese Faktoren seien wesentliche Vermittlungshemmnisse, die durch ausreichende Finanzierung beseitigt werden müssten.

Rosemann fordert eine gezielte und individuelle Förderung der erwerbslosen Menschen, um ihnen nachhaltige Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Er weist auch darauf hin, dass noch einige Punkte aus dem Koalitionsvertrag nicht vollständig umgesetzt sind, wie beispielsweise verbesserte Hinzuverdienstregelungen und eine Weiterentwicklung des sozialen Arbeitsmarkts. Diese Vorhaben sollen noch in der aktuellen Legislaturperiode realisiert werden.

Reaktionen der Grünen

Andreas Audretsch, Grünen-Fraktionsvize, betont, dass der Fokus auf den 97 Prozent der Bürgergeldempfänger gerichtet werden müsse, die bereit sind zu arbeiten. Für diese Personen sollen die Anreize verbessert werden, damit sie mehr von ihrem Verdienst behalten können. Dies steht im Gegensatz zu den Vorschlägen der Union, die sich auf eine drastische Verschärfung der Regelungen konzentrieren.

Statistische Entwicklungen

Die neuen Zahlen der Regierung zeigen einen signifikanten Anstieg des Anteils ausländischer Kinder und Jugendlicher unter den Bürgergeld-Beziehern seit 2010. Während 2010 noch etwa 1,37 Millionen deutsche und 304.000 ausländische minderjährige Leistungsberechtigte verzeichnet wurden, betrug das Verhältnis Ende 2023 907.000 zu 894.000. Diese Entwicklung hat die Debatte insbesondere für die FDP angestoßen.

Position der FDP

Die FDP fordert, dass Arbeitsminister Hubertus Heil wirksame Konzepte zur Bewältigung der steigenden Zahlen ausländischer Bürgergeldempfänger vorlegt. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, kritisiert die bisherigen Maßnahmen als unzureichend und verweist darauf, dass der „Job-Turbo“ in einen „Job-Flop“ umschlagen könnte. Kober schlägt vor, unterschiedliche Regelungen für verschiedene Gruppen von Bürgergeldempfängern zu prüfen: für Aufstocker, Langzeitarbeitslose mit gesundheitlichen und psychischen Problemen sowie für Zugewanderte, die arbeiten könnten. Er betont, dass zumutbare Kriterien für letztere Gruppe weniger prioritär sein sollten, wenn die Kosten und die gesellschaftliche Stimmung kippen.