Vier Wochen vor den entscheidenden Wahlen im Osten Deutschlands inszeniert sich die Alternative für Deutschland (AfD) als die Partei, die Frieden, Wohlstand und umfassende Abschiebungen verspricht. Laut aktuellen Umfragen ist die AfD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die stärkste Kraft. Besonders im Osten ist Björn Höcke, der rechtskonservative Spitzenkandidat der Partei, eine prägende Figur. Doch wie realistisch und umsetzbar sind die Wahlversprechen der AfD? Politikwissenschaftler Oliver W. Lembcke von der Universität Bochum (ehemals Universität Jena) bewertet die Glaubwürdigkeit dieser Versprechen.
Frieden: Höckes Vision und Realität
Björn Höcke plant, eine parteiübergreifende Friedensbewegung ins Leben zu rufen und wirft dem Westen Kriegstreiberei vor. Laut Höcke ist Putin der Hauptverantwortliche für die Konflikte und könnte seine Angriffe auf die Ukraine jederzeit beenden, wenn er es wollte. Politikwissenschaftler Oliver W. Lembcke bezeichnet diese Vorstellung als „Realitätsverdunkelung“. Er argumentiert, dass Putin „keinen Frieden will“, da er sonst nicht auf zivile Einrichtungen wie Kinderkliniken schießen würde. Höckes Vorschläge für Friedensinitiativen zeigten keine ernsthaften Bemühungen, mit anderen Parteien zusammenzuarbeiten.
Migration: Abschiebe-Offensive und ihre Herausforderungen
In seiner Wahlkampf-Rede präsentierte Höcke Fotomontagen, die Flüchtlinge am Flughafen zeigen, begleitet von Slogans wie „Sommer, Sonne, Remigration“. Er kündigte eine umfassende Abschiebe-Offensive an. Lembcke hält es zwar für möglich, bestehende Gesetze zur Bekämpfung illegaler Einwanderung strikter umzusetzen. Dennoch betont er, dass Höcke ohne Koalitionspartner keine realistische Machtperspektive habe. Die praktische Umsetzung einer solchen Abschiebe-Offensive könnte durch fehlende Mehrheiten im Landtag erheblich eingeschränkt werden.
Wirtschaft: Höckes Pläne und deren Realisierbarkeit
In der ersten Wahlkampf-Show stellte die AfD Zukunftsprognosen vor, die sinkende Kriminalität, günstige Energie aus Russland und steigenden Wohlstand „dank AfD“ versprachen. Höcke präsentierte seine Lösung für den Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft mit der Aussage: „Unsere Fachkräfte machen wir selber!“ Lembcke bezeichnet dies als „absoluten Müll“. Laut dem ifo-Institut fehlen Thüringen bis 2035 mehr als 140.000 Fachkräfte. Eine solche Lücke könne auch durch eine höhere Geburtenrate nicht geschlossen werden, was die Umsetzbarkeit von Höckes Plänen in Frage stellt.
Familienpolitik: Baby-Bonus und finanzielle Fragen
Höcke verspricht, für jedes Neugeborene in Thüringen eine Zahlung von 10.000 Euro an die Familien zu leisten. Bei 13.000 Neugeborenen im Jahr 2023 würde dies jährliche Kosten von 130 Millionen Euro verursachen. Lembcke hält diese Summe nicht für utopisch und sieht grundsätzlich die Möglichkeit, eine solche Maßnahme auf Landesebene umzusetzen. Allerdings lässt Höcke die Finanzierung offen und gibt keine detaillierten Angaben zur Höhe der angedachten Hochzeits-Prämie für den ersten Immobilien-Kauf nach DDR-Vorbild. Auch weitere Ankündigungen, wie die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder mehrerer Klimagesetze, könnten rechtlich auf erhebliche Probleme stoßen.
Potenzielle Auswirkungen auf die Politik
Trotz der Skepsis gegenüber vielen AfD-Versprechen ist es möglich, dass die AfD anderen Parteien bei der Erreichung von Mehrheiten helfen könnte. In Thüringen unterstützte die AfD bereits Anträge der CDU, wie etwa eine Absenkung der Grunderwerbssteuer und ein Verbot von Windrädern in Wäldern. Obwohl die CDU AfD-Anträgen auf Landesebene bisher nicht zugestimmt hat, könnten zukünftige Koalitionen oder politische Allianzen andere politische Ziele unterstützen.