Kanzler Olaf Scholz hat sich in einem ungewöhnlichen Schritt aus seinem Urlaub heraus gegen seinen Finanzminister Christian Lindner gewandt. Scholz wirft Lindner vor, im Streit um den Bundeshaushalt für 2025 bewusst zu tricksen und Gutachten falsch auszulegen, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Dies hat den Konflikt zwischen den beiden Spitzenpolitikern auf die Spitze getrieben und die Diskussion um die Finanzpolitik der Ampel-Koalition neu entfacht.
Die Streitpunkte im Detail
Der Streit begann nach monatelangem Koalitionskrach, als Scholz, Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (54, Grüne) Anfang Juli eine Einigung über den Haushaltsentwurf für 2025 erzielt hatten. Lindner stellte jedoch drei Vorschläge zur Deckung eines 17-Milliarden-Euro-Lochs im Haushalt unter Prüf-Vorbehalt:
- Umwidmung von Zuschüssen an die Autobahn GmbH: Lindner schlug vor, die Zuschüsse des Bundes an die Autobahn GmbH in rückzahlbare Darlehen umzuwandeln. Dies sorgte für Kontroversen, da die Autobahn-Firma des Bundes keine eigenen Einnahmen hat, um die Darlehen zurückzuzahlen.
- Umwidmung von Zuschüssen an die Deutsche Bahn (DB): Ein weiteres umstrittenes Thema war die Umwandlung von Zuschüssen an die Deutsche Bahn in Darlehen.
- Überführung von KfW-Geldern: Lindner befürwortete die Überführung nicht verbrauchter Gelder der bundeseigenen Kreditbank KfW in den Bundeshaushalt.
Gutachten und ihre Bedeutung
Zur Unterstützung seiner Vorschläge hatte Lindner zwei Gutachten eingeholt: eines vom Wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums und ein weiteres von Professor Johannes Hellermann von der Universität Bielefeld. Beide Gutachten hielten die Probleme mit der Deutschen Bahn für lösbar, empfahlen jedoch alternative Ansätze wie die Erhöhung des Stammkapitals statt der Umwandlung in Darlehen.
Der Wissenschaftliche Beirat wies jedoch erhebliche verfassungsrechtliche und wirtschaftliche Bedenken gegen Lindners Vorschläge an der Autobahn GmbH und der KfW an. Professor Hellermann sah nur Bedenken bei der Umwidmung der KfW-Gelder durch den Bund.
Scholz’ Gegenangriff
Scholz, der sich auf das Gutachten von Professor Hellermann stützt, sieht den Haushaltsentwurf als verfassungskonform an und hat Lindner scharf kritisiert. In einem Interview mit Zeit-online erklärte Scholz, dass das juristische Gutachten eindeutig zeige, dass der Haushaltsentwurf den rechtlichen Anforderungen entspricht. Scholz stellte fest: „Es bleibt ein Mysterium, wie das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte.“
Die politischen Konsequenzen
Die Eskalation des Konflikts führt dazu, dass Scholz und Lindner nun in eine kritische Phase der Verhandlungen eintreten müssen. Scholz kündigte an, dass die Ampel-Koalition nun „vertraulich die nächsten Schritte beraten“ werde, was als implizite Aufforderung an Lindner interpretiert werden kann, sich zurückzuhalten.
Der Haushaltsstreit zeigt nicht nur die Spannungen innerhalb der Ampel-Koalition, sondern auch die Schwierigkeiten bei der Bewältigung der finanziellen Herausforderungen, mit denen die Regierung konfrontiert ist. Der Ausgang dieses Konflikts wird entscheidend für die zukünftige Stabilität und Effektivität der Bundesregierung sein.