Ukrainische Staatsangehörige, die sich in Deutschland aufhalten und deren Reisepass abgelaufen ist, sehen sich häufig vor einer komplizierten Situation. Derzeit gibt es in Deutschland keine generellen Regelungen zur Ausstellung von Ersatzpässen für wehrpflichtige Ukrainer. Diese Situation resultiert aus einer Reihe von gesetzlichen und administrativen Vorgaben, die in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden.

Bundesländer und ihre Handhabung

In Deutschland ist es den meisten Bundesländern untersagt, wehrpflichtigen Ukrainern Ersatzpässe auszustellen, wenn ihr gültiger Reisepass abgelaufen ist. Die allgemeine Praxis, wie sie durch eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den zuständigen Ministerien aufgezeigt wurde, ist, dass die ukrainischen Wehrpflichtigen in der Regel in ihr Heimatland zurückreisen müssen, um neue Reisedokumente zu beantragen. Das Hessische Innenministerium stellt klar, dass „die hessischen Ausländerbehörden konsequent Bundesrecht anwenden“ und ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise ausstellen.

Geltendes Bundesrecht

Nach dem geltenden Bundesrecht, speziell der Aufenthaltsverordnung, kann einem Ausländer nur dann ein Ersatzpapier ausgestellt werden, wenn er auf zumutbare Weise keine heimischen Reisepapiere beschaffen kann. Die Erfüllung der Wehrpflicht wird in den meisten Fällen als zumutbar angesehen. Dies bedeutet, dass eine Rückkehr in die Ukraine zur Passbeschaffung in der Regel als notwendiger Schritt betrachtet wird, wenn der Pass abgelaufen ist.

Einzelfallregelungen und Ausnahmen

Es gibt jedoch Ausnahmen, die in Einzelfällen berücksichtigt werden können. Beispielsweise können gesundheitliche Gründe, wie die Notwendigkeit einer Behandlung, oder persönliche Umstände, wie die Betreuung von nahen Angehörigen, Ausnahmen rechtfertigen. Das Innenministerium Sachsen-Anhalt betont, dass allein die Vermutung einer Wehrdienstverpflichtung nicht ausreicht, um die Passbeschaffung im Heimatland als „unzumutbar“ einzustufen. Auch im Saarland können unter bestimmten Bedingungen, wie bei Verheiratung mit einer Deutschen oder bei vorliegender Einbürgerungszusicherung, besondere Regelungen gelten.

Keine Sonderregelungen für Ukrainer in anderen Bundesländern

Die Mehrzahl der Bundesländer folgt dem bundesrechtlichen Standard und stellt keine speziellen Regelungen für ukrainische Staatsangehörige auf. So informiert die Berliner Senatsverwaltung für Inneres, dass es keine Unterscheidung zwischen ukrainischen Staatsangehörigen und anderen Ausländern bezüglich der Wehrpflicht gibt. Auch in Brandenburg bestehen keine besonderen Regelungen für wehrpflichtige Ukrainer.

Auswirkungen auf den Aufenthalt

Obwohl ukrainische Staatsbürger ohne gültigen Pass nicht reisen können, haben abgelaufene Pässe keine negativen Auswirkungen auf ihre Aufenthaltsgenehmigung oder den Bezug von Sozialleistungen in Deutschland. Das Integrationsministerium Schleswig-Holstein sowie das Bundesinnenministerium bestätigen, dass abgelaufene Pässe keine „nachteiligen Folgen“ für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen haben. Nach der EU-Massenzustrom-Richtlinie haben Ukrainer bis zum 4. März 2025 ein Aufenthaltsrecht in Deutschland, das Zugang zu Rechten wie Arbeitsmarkt, Unterkunft und Sozialhilfe gewährt.

Neuerungen und ukrainische Maßnahmen

Seit April dieses Jahres hat die ukrainische Regierung begonnen, den Druck auf Männer im Wehrdienstalter zu erhöhen, die sich im Ausland aufhalten. Diese Männer erhalten keine neuen Dokumente mehr von den ukrainischen Auslandsbotschaften, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Seit Juni 2024 können wehrpflichtige Männer jedoch konsularische Dienstleistungen im Ausland in Anspruch nehmen, indem sie sich über eine spezielle App beim ukrainischen Verteidigungsministerium registrieren. Laut dem Bundesinnenministerium leben derzeit 268.176 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter in Deutschland.