Mit dem Inkrafttreten des neuen Paragrafen 108f Strafgesetzbuch im Juni dieses Jahres hat der Gesetzgeber einen neuen Straftatbestand eingeführt, der gezielt gegen die unzulässige Interessenwahrnehmung von Abgeordneten gerichtet ist. Dieser Gesetzesabschnitt soll eine durch den Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte „Lücke“ im bestehenden Recht schließen und die Kommerzialisierung der Einflussmöglichkeiten von Mandatsträgern verhindern. Bisher konnten sich Abgeordnete ohne rechtliche Konsequenzen für ihre außerparlamentarische Einflussnahme bezahlen lassen, wenn diese nicht direkt mit ihrer Parlamentsarbeit verknüpft war.
Hintergrund und Motivation des Gesetzes
Der neue Straftatbestand wurde vor allem durch eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete motiviert, die Geld erhalten hatten, um sich außerhalb ihrer parlamentarischen Arbeit für die Interessen von Unternehmen einzusetzen. In diesen Verfahren stellte sich heraus, dass die bisherigen Strafnormen nicht auf solche Verhaltensweisen anwendbar waren. Der Bundesgerichtshof hatte in der sogenannten Maskenaffäre ausdrücklich klargestellt, dass die betreffenden Handlungen nicht unter die bestehenden Straftatbestände der Abgeordnetenbestechung fallen. Es wurde festgestellt, dass es für eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausreicht, wenn Abgeordnete außerhalb der parlamentarischen Tätigkeit Einfluss auf Behördenentscheidungen nehmen.
Die Gesetzgeber sahen darin eine erhebliche Regelungslücke, die das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie untergraben könnte. Die neue Regelung soll daher sicherstellen, dass Abgeordnete nicht länger ihre privilegierte Position zum eigenen Vorteil ausnutzen können, was das Vertrauen in die politische Institution untergraben könnte.
Details des neuen Straftatbestands
Tatbestand und Strafbarkeit
Nach dem neuen Paragrafen 108f Strafgesetzbuch machen sich Mandatsträger strafbar, wenn sie während ihrer Amtszeit für die Wahrnehmung von Interessen von Dritten Vermögensvorteile fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Diese Regelung zielt darauf ab, sogenannten „Einflusshandel“ zu verhindern, bei dem Abgeordnete gegen Entgelt bestimmte Handlungen vornehmen oder unterlassen, um die Interessen anderer Personen zu vertreten.
Umfang und Ausnahmen
Der Gesetzgeber hat sich entschieden, den Tatbestand restriktiv zu gestalten. Dies bedeutet, dass nicht alle Arten von Nebentätigkeiten und Interessensvertretungen unter Strafe stehen:
- Kommunale Abgeordnete: Die neue Regelung gilt nicht für Mandatsträger in kommunalen Gebietskörperschaften. Der Gesetzgeber schätzt das Risiko unzulässiger Einflussnahme bei kommunalen Abgeordneten als deutlich geringer ein.
- Vermögensvorteil: Strafbar ist nur die Annahme von ungerechtfertigten Vermögensvorteilen. Die Zuwendung von reinen Incentives, wie etwa Geschenke ohne direkten Bezug zu einem bestimmten Verhalten oder einer konkreten Einflussnahme, bleibt straffrei.
- Wahlzeitpunkt: Die Regelung tritt erst mit der Wahl des Abgeordneten in Kraft. Dies bedeutet, dass Zuwendungen, die während der Kandidaturphase erhalten werden, nicht unter den neuen Tatbestand fallen.
Verbindung zum Parlamentsrecht
Ein weiterer wichtiger Aspekt des neuen Straftatbestands ist die Anforderung, dass die missbräuchliche entgeltliche Interessenvertretung im Parlamentsrecht ausdrücklich verboten sein muss. Für Bundestagsabgeordnete verbietet das Abgeordnetengesetz ausdrücklich „missbräuchliche Hinweise auf die Mitgliedschaft im Bundestag in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten“.
In den Landesgesetzen fehlt eine vergleichbare Regelung bisher, was zu einer ungleichen Rechtslage in den verschiedenen Parlamenten führen kann. Die Vorschläge, eine einheitliche Regelung für alle Parlamente zu schaffen, sind bislang noch nicht umgesetzt worden. Ob und wann die Länder nachziehen werden, bleibt abzuwarten.