Die politischen Spannungen in Deutschland haben nach dem Anschlag in Solingen eine neue Dimension erreicht. CDU-Chef Friedrich Merz hat in diesem Zusammenhang ein drastisches Angebot gemacht und den Bundeskanzler zu einer gemeinsamen Sicherheitspolitik aufgefordert – auch ohne die Grünen und die SPD, sollte dies notwendig sein. Dies stieß beim Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf erheblichen Widerstand und führte zu einer scharfen öffentlichen Auseinandersetzung.
Merz fordert eine "nationale Notlage"
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, brachte die Idee einer "nationalen Notlage" ins Gespräch, um die Migration nach Deutschland drastisch zu begrenzen. Er schlug vor, EU-Recht zu umgehen, um Migranten, die über ein anderes EU-Land eingereist sind, konsequent zurückzuweisen. Dieser Vorstoß zielte darauf ab, eine härtere und in seinen Augen effektivere Migrationspolitik durchzusetzen.
Merz argumentierte, dass Deutschland angesichts der aktuellen Herausforderungen eine klare Linie brauche und dass dies nur durch eine umfassende nationale Einigung möglich sei. Sein Angebot an den Bundeskanzler Olaf Scholz beinhaltete, notfalls auch ohne die Grünen und die SPD zusammenzuarbeiten. Für Merz stehen nationale Sicherheit und Migrationspolitik im Mittelpunkt seiner politischen Strategie. Doch seine Vorschläge stießen bei der Ampel-Koalition auf wenig Verständnis.
Habecks Reaktion: "Unverantwortlich" und "Rhetorik des Spaltens"
Vizekanzler Robert Habeck reagierte umgehend und scharf auf die Äußerungen von Friedrich Merz. Auf einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in Leipzig bezeichnete er den Vorstoß des CDU-Chefs als "unverantwortlich". In einem Interview mit dem Fernsehsender Sat.1 kritisierte Habeck die Position von Merz als eine "Rhetorik des Spaltens". Er warf ihm vor, die Gesellschaft zu polarisieren, anstatt konstruktiv Lösungen für die bestehenden Probleme zu suchen.
Habeck ging noch weiter und sprach von einer möglichen "fehlenden Regierungserfahrung" seitens Merz. Er stellte infrage, ob es sich bei dem Vorschlag des CDU-Vorsitzenden um Unwissenheit oder einen bewussten Versuch handele, mit provokativen Aussagen Aufmerksamkeit zu erregen: "Vielleicht will Merz einfach mal einen 'raushauen, um mal einen 'rauszuhauen", so Habeck.
Kritik an der europäischen Dimension des Vorschlags
Ein weiterer zentraler Punkt in Habecks Kritik war die europäische Dimension des Vorschlags von Merz. Eine "nationale Notlage" auszurufen und damit EU-Recht zu umgehen, könnte laut Habeck zu erheblichen Verwerfungen innerhalb der Europäischen Union führen. Er betonte, dass die EU auf gemeinsamen Regeln und Kooperation beruhe, und dass eine Aufkündigung dieser Regeln die Stabilität und Einheit Europas gefährden würde.
Habeck argumentierte, dass solche Vorschläge nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich seien, weil sie eine Erwartungshaltung wecken, die letztlich enttäuscht werde. "Man muss, wenn man Probleme lösen will, auch die Mittel für die Problemlösung vorher bedenken und nicht einfach eine Erwartungshaltung schüren, die dann wieder zur nächsten Enttäuschung führt", erklärte der Vizekanzler.
Merz' Vorschlag als "falscher Weg"
Habeck machte deutlich, dass er Merz' Vorgehen für einen "falschen Weg" halte. Die Idee, durch eine nationale Notlage EU-Recht zu umgehen, widerspreche den Grundprinzipien der europäischen Zusammenarbeit. Er warnte davor, dass dies zu einer Fragmentierung der EU führen könnte, die den politischen Zusammenhalt gefährden würde. "Die EU lebt von gemeinsamen Regeln und einer gemeinsamen Politik. Einseitige Maßnahmen würden uns nur weiter spalten", so Habeck.
Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, sich auf konstruktive Gespräche und Verhandlungen zu konzentrieren, um tragfähige Lösungen für die Herausforderungen der Migrationspolitik zu finden, anstatt nationale Alleingänge zu verfolgen. Auch der Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte Gespräche mit der Opposition an, jedoch ohne die harte Linie von Merz zu unterstützen.
Die Reaktionen aus der Ampel-Koalition
Nicht nur Habeck, sondern auch andere Mitglieder der Ampel-Koalition reagierten ablehnend auf das Angebot von Merz. SPD-Chefin Saskia Esken wies das Asyl-Angebot kategorisch zurück und erklärte, dass es keine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der CDU auf diese Weise gebe. Sie betonte, dass eine nationale Notlage keine Lösung für die Probleme im Asylbereich sei und dass die Bundesregierung ihre Politik auf europäischer Ebene weiterführen werde.
Auch Innenministerin Nancy Faeser kritisierte Merz' Vorstoß und erklärte, dass die Sicherheitspolitik nicht auf nationalen Alleingängen basieren könne. "Die Sicherheit in Deutschland und Europa hängt von Kooperation und Solidarität ab, nicht von nationalistischen Reflexen", sagte sie.
Der Blick auf die Landtagswahl in Sachsen
Habeck nutzte die Gelegenheit der Wahlkampfveranstaltung, um auch auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen einzugehen. Er betonte, dass diese Wahl entscheidend sei für die zukünftige politische Richtung in Deutschland. "Geht das hier schief, wird der Diskurs weiter Richtung Hass und Spaltung gehen", warnte er. Gleichzeitig äußerte er die Hoffnung, dass die Grünen mit starken Ergebnissen in die Regierung zurückkehren könnten: "Gelingt es, dass wir mit den Stimmen für Bündnis 90/Die Grünen wieder in die Regierung kommen, dann wird die Geschichte anders geschrieben werden."
Habeck lobte die Arbeit seiner Parteikollegen in Sachsen und verwies auf die wirtschaftlichen Fortschritte, die durch staatlich geförderte Investitionen erreicht wurden. Er hob hervor, dass die Wachstumszahlen in Ostdeutschland die Früchte von drei Jahren harter Arbeit zeigten und dass die Grünen einen wesentlichen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet hätten.