Hubertus Heil plant eine umfassende Reform der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung
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Hubertus Heil plant eine umfassende Reform der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung

Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die für die Arbeitsvermittlung und Auszahlung von Arbeitslosengeld zuständig ist, soll moderner und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Zentrale Elemente der Reform umfassen die Abschaffung von Präsenzterminen zugunsten von Videocalls, verbesserte Unterstützung für Gründerinnen und Gründer sowie vereinfachte Regelungen für den Bezug von Arbeitslosengeld. Dieser Beitrag beleuchtet die geplanten Änderungen im Detail und untersucht die potenziellen Auswirkungen auf Arbeitslose, Arbeitgeber und die BA.

Wegfall der Präsenzpflicht: Mehr Flexibilität durch Videocalls

Eine der wesentlichen Änderungen des geplanten Gesetzes betrifft die Art und Weise, wie Beratungsgespräche und Vermittlungstermine bei der Agentur für Arbeit abgehalten werden. Bislang mussten diese Termine persönlich und in Präsenz stattfinden, was sowohl für Arbeitslose als auch für die BA selbst zeitaufwändig und wenig flexibel war. Künftig sollen solche Termine auch per Videocall möglich sein. Diese Neuerung könnte insbesondere für Menschen, die in ländlichen Gebieten wohnen oder mobilitätseingeschränkt sind, eine erhebliche Erleichterung darstellen.

Videocalls bieten eine zeitgemäße und flexible Alternative zu Präsenzterminen und ermöglichen es, Beratungsgespräche effizienter und ohne lange Wartezeiten durchzuführen. Zudem könnten durch den Einsatz digitaler Technologien sowohl der Verwaltungsaufwand als auch die Kosten für die BA reduziert werden. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie gut die technische Infrastruktur aufseiten der BA und der Kundinnen und Kunden für eine flächendeckende Nutzung von Videocalls geeignet ist.

Von Eingliederungsvereinbarungen zu Kooperationsplänen: Ein Paradigmenwechsel?

Ein weiterer zentraler Punkt der geplanten Reform ist die Umwandlung der bisherigen Eingliederungsvereinbarungen in sogenannte Kooperationspläne. Eingliederungsvereinbarungen legen bislang fest, welche Maßnahmen Arbeitslose ergreifen müssen, um wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Mit den Kooperationsplänen soll nun ein partnerschaftlicheres Verhältnis zwischen der BA und den Arbeitssuchenden etabliert werden. Was genau diese Kooperationspläne beinhalten und wie sie sich konkret von den bisherigen Vereinbarungen unterscheiden werden, bleibt jedoch bislang unklar.

Dieser Schritt passt zu Heils Ansatz, den Sozialstaat weniger sanktionierend und mehr auf Augenhöhe zu gestalten. Bereits bei der Einführung des Bürgergeldes wurde ein ähnlicher Ansatz verfolgt, um Langzeitarbeitslose besser zu integrieren. Hier könnte die neue Terminologie ein Signal für eine veränderte Grundhaltung in der Arbeitsvermittlung sein, bei der weniger der Druck auf Arbeitslose im Vordergrund steht, sondern vielmehr eine kooperative Zusammenarbeit zur Integration in den Arbeitsmarkt.

Unterstützung für Gründerinnen und Gründer: Mehr Anreize und weniger Bürokratie

Ein weiterer Fokus des Reformvorhabens liegt auf der Förderung von Gründerinnen und Gründern. Nach den bisherigen Regelungen mussten Personen, die sich selbständig machen wollten, strenge Voraussetzungen erfüllen, um Förderungen von der BA zu erhalten. Dazu gehörte unter anderem ein Restanspruch von 150 Tagen auf Arbeitslosengeld. Diese Frist soll nun auf 90 Tage verkürzt werden, was den Zugang zum Gründungszuschuss erheblich erleichtern könnte.

Zusätzlich sieht der Entwurf eine verlängerte Frist für Gründer vor, um sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung abzusichern. Diese Maßnahme könnte vor allem für jene attraktiv sein, die eine gewisse Sicherheit bei ihrem Schritt in die Selbständigkeit wünschen. Mit diesen Änderungen will Heil nicht nur die Gründungskultur in Deutschland fördern, sondern auch das Unternehmertum als Weg aus der Arbeitslosigkeit attraktiver gestalten.

Einheitliche Abzüge und weniger Bürokratie beim Arbeitslosengeld

Neben den organisatorischen Änderungen plant Heil auch Verbesserungen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes. Der Entwurf sieht vor, dass künftig einheitliche Abzüge für die Sozialversicherungspauschale, die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag gelten sollen. Diese Änderung würde aufwendige Nachberechnungen überflüssig machen und damit die Bürokratie sowohl für die Arbeitslosen als auch für die Verwaltung verringern.

Auch für Arbeitgeber soll es Vereinfachungen geben, insbesondere beim Kurzarbeitergeld. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen, wie zuletzt während der COVID-19-Pandemie, spielte das Kurzarbeitergeld eine wichtige Rolle zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes. Die geplanten Änderungen könnten den administrativen Aufwand für Unternehmen reduzieren und so zur Flexibilität des Arbeitsmarktes beitragen.

Förderung von Berufspraktika und Weiterbildung: Mehr Unterstützung für junge Menschen

Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und den Übergang junger Menschen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, sollen auch die Jugendberufsagenturen gestärkt werden. Diese Agenturen bieten bereits jetzt Beratung und Unterstützung für junge Menschen an, die eine Ausbildung oder eine berufliche Perspektive suchen. Durch die geplante Reform sollen Jugendliche und junge Erwachsene, die ein Berufspraktikum absolvieren und dafür an einem anderen Ort wohnen müssen, eine finanzielle Unterstützung erhalten können – bis zu 420 Euro pro Monat.

Zusätzlich können Menschen, die ihren Hauptschulabschluss nachholen möchten, ebenfalls auf Förderung hoffen, sofern sie zuvor geringqualifiziert beschäftigt waren. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Ausbildungsmöglichkeiten und berufliche Qualifikation junger Menschen zu verbessern und so langfristig zur Fachkräftesicherung in Deutschland beizutragen.

Finanzielle Auswirkungen der Reform: Kosten und Nutzen im Überblick

Die geplanten Änderungen haben natürlich auch finanzielle Implikationen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales rechnet mit Kosten von 59 Millionen Euro im kommenden Jahr, die bis 2027 auf rund 160 Millionen Euro ansteigen könnten. Diese Kosten fallen jedoch im Vergleich zum Gesamtbudget der Bundesagentur für Arbeit, die allein 2024 mit Einnahmen von 45 Milliarden Euro rechnet, vergleichsweise gering aus.

Die geplanten Ausgaben sollen jedoch gut investiertes Geld sein, da sie zur Modernisierung und Effizienzsteigerung der Arbeitsvermittlung beitragen könnten. Ziel ist es, den Bürgerinnen und Bürgern eine unkomplizierte, transparente und effektive Unterstützung bei der Jobsuche und beruflichen Neuorientierung zu bieten.