Attentäter von Solingen nutzte Asyl-Lücken: Dublin-Regeln als gescheitertes System
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Attentäter von Solingen nutzte Asyl-Lücken: Dublin-Regeln als gescheitertes System

Das Thema der Dublin-Regelungen und ihre offensichtlichen Schwächen hat in jüngster Zeit erheblich an Relevanz gewonnen. Ein tragisches Beispiel, das die Mängel dieses Systems verdeutlicht, ist der Fall des Solingen-Attentäters Issa al Hasan, dessen Abschiebung nach Bulgarien misslang, obwohl er gemäß den Dublin-Verfahren dorthin hätte zurückgebracht werden müssen. Die folgende Analyse wird sich detailliert mit den Dublin-Regeln, ihren Schwächen, der aktuellen Situation und möglichen Reformen befassen.

Was ist das Dublin-Verfahren?

Das Dublin-Verfahren, auch als Dublin-III-Verordnung bekannt, ist ein Regelwerk der Europäischen Union (EU), das festlegt, welches Land für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig ist. Diese Verordnung gilt nicht nur für die EU-Mitgliedstaaten, sondern auch für Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Der Grundgedanke ist einfach: Ein Asylbewerber muss seinen Antrag in dem Land stellen, in das er zuerst eingereist ist. Dies soll sicherstellen, dass ein Flüchtling nur in einem EU-Land Asyl beantragt und es nicht zu parallelen Verfahren in mehreren Staaten kommt.

Die Regelung betrifft insbesondere Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien oder über die bulgarisch-türkische Grenze in die EU gelangen. So war es auch im Fall von Issa al Hasan, der in Bulgarien hätte Asyl beantragen müssen, da er dort zuerst registriert wurde. Trotzdem befand er sich zum Zeitpunkt des Anschlags in Solingen in Deutschland, obwohl sein Asylantrag abgelehnt und seine Ausreisepflicht festgestellt worden war.

Die Schwächen des Dublin-Systems

Das Dublin-System ist in seiner gegenwärtigen Form weitgehend wirkungslos, was auf mehrere systemische Probleme zurückzuführen ist. Die Abschiebungen von Flüchtlingen, die gemäß den Dublin-Regeln in das Erstaufnahmeland zurückgeführt werden sollten, scheitern häufig. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Fall von Issa al Hasan, dem Solingen-Attentäter, dessen Abschiebung nach Bulgarien misslang. Die Behörden konnten ihn nicht in seiner Unterkunft antreffen, und es wurden keine weiteren Versuche unternommen, ihn zu finden. Dieser Fall verdeutlicht die strukturellen Probleme und Schwächen des Systems:

  1. Umgehung der Dublin-Regeln: Flüchtlinge können das Dublin-System leicht umgehen, indem sie in ein anderes EU-Land reisen, bevor eine Abschiebung erfolgen kann. Viele Migranten, die zunächst in einem anderen EU-Land registriert sind, reisen weiter, um in einem Land ihrer Wahl einen Asylantrag zu stellen. Das Dublin-System ist oft nicht in der Lage, dies effektiv zu verhindern.
  2. Überlastete Grenzstaaten: Länder mit EU-Außengrenzen wie Italien oder Griechenland sind besonders betroffen. Diese Staaten müssen oft eine große Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen, registrieren und deren Anträge bearbeiten. In Zeiten intensiver Migrationsbewegungen fühlen sich diese Länder von der EU im Stich gelassen, was zu mangelnder Kooperation bei der Rückführung von Flüchtlingen führt. Dies hat zur Folge, dass die Dublin-Regeln häufig ignoriert oder unzureichend umgesetzt werden.
  3. Fehlende Durchsetzung und Kontrolle: Die Durchsetzung der Dublin-Verordnung scheitert häufig an der praktischen Umsetzung. Wenn ein Asylbewerber von einem anderen EU-Land übernommen werden soll, sind die Fristen oft zu kurz, die Bürokratie zu komplex, und die Kooperation zwischen den Staaten mangelhaft. Dies führt zu einer geringen Erfolgsquote bei Abschiebungen.

Warum ist das Dublin-System gescheitert?

Die Hauptkritik am Dublin-System liegt in seiner fundamentalen Unausgewogenheit und Ungerechtigkeit. Das System lastet den Grenzstaaten unverhältnismäßig hohe Verantwortungen auf, während es Länder im Inneren der EU weniger belastet. In der Praxis bedeutet dies, dass Staaten wie Italien und Griechenland oft überfordert sind und die Last der Verwaltung und Integration von Flüchtlingen fast alleine tragen müssen. Länder ohne EU-Außengrenzen neigen dazu, weniger Verantwortung zu übernehmen, was zu einem Mangel an Solidarität innerhalb der EU führt.

Des Weiteren hat das Dublin-System wenig Mechanismen, um mit Flüchtlingen umzugehen, die nach Ablehnung ihres Asylantrags nicht kooperieren oder sich ihrer Abschiebung entziehen. Dies war im Fall von Issa al Hasan besonders deutlich zu sehen, der von den deutschen Behörden als "ausreisepflichtig" eingestuft wurde, aber dennoch nicht abgeschoben werden konnte.

Reformen des Dublin-Systems: Ein notwendiger Schritt?

Angesichts der offensichtlichen Schwächen des Dublin-Systems ist eine Reform unumgänglich. Die Bundesregierung hat bereits ein großes Maßnahmenpaket zur Migrations- und Asylpolitik angekündigt. Eines der wesentlichen Elemente dieser Reform ist die drastische Reduzierung der Leistungen für sogenannte "Dublin-Fälle". Flüchtlinge, deren Asylantrag in einem anderen EU-Land bearbeitet werden sollte, sollen in Deutschland nur noch das absolute Minimum an Versorgung erhalten: Schlafplatz, Nahrung und grundlegende Hygieneartikel. Geldleistungen oder Bezahlkarten sollen gestrichen werden.

Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Attraktivität Deutschlands für sogenannte "Sekundärmigranten" zu reduzieren, also für Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, sich aber dennoch nach Deutschland begeben. Diese Maßnahmen sind jedoch nur ein kleiner Teil einer umfassenderen Reform, die notwendig ist, um ein faires, funktionsfähiges und solidarisches Asylsystem in der EU zu etablieren.