Olaf Scholz steht vor einer Vielzahl drängender Probleme: der Asylkrise, dem wachsenden Abschiebefrust und dem eklatanten Fachkräftemangel. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, verfolgt er eine Strategie des gezielten Ausbaus internationaler Beziehungen und Kooperationen, insbesondere mit Ländern wie Kenia, Usbekistan und Kasachstan. Doch die Frage bleibt: Sind diese Abkommen tatsächlich der Schlüssel zur Lösung der Probleme, oder dienen sie lediglich als symbolische Nebelkerzen, um von den tieferliegenden Problemen abzulenken?
Scholz in Zentralasien: Eine diplomatische Offensive
Aktuell befindet sich der Bundeskanzler auf einer Reise durch Kasachstan und Usbekistan, begleitet von Innenministerin Nancy Faeser und dem Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen, Joachim Stamp. Diese Reise hat das Ziel, konkrete Abkommen zu verhandeln, die sowohl auf die Bekämpfung der Asylkrise als auch auf die Eindämmung Russlands abzielen.
Fachkräftemangel als Schlüsselproblem
Ein zentrales Anliegen der deutschen Regierung ist der Fachkräftemangel, der in nahezu allen Sektoren der Wirtschaft spürbar ist. Mit Ländern wie Kenia und Usbekistan, die eine hohe Zahl junger Arbeitskräfte, aber eine begrenzte Anzahl an Arbeitsplätzen aufweisen, sollen gezielte Partnerschaften geschlossen werden. Diese Länder bieten die Möglichkeit, Fachkräfte, insbesondere im Pflegebereich, nach Deutschland zu holen.
Kenia: Rückführungsabkommen und Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik
Rückführung kenianischer Staatsbürger
Kenia hat sich im Rahmen eines neuen Abkommens bereit erklärt, illegal in Deutschland lebende Staatsangehörige schnellstmöglich zurückzunehmen. Dabei ist anzumerken, dass sich die Zahl der ausreisepflichtigen Kenianer in Deutschland auf lediglich 818 Personen beläuft. Trotz dieser geringen Zahl betont Scholz die Wichtigkeit des Abkommens, da es nicht nur um Kenianer geht.
Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia
Eine Besonderheit des Abkommens mit Kenia ist die Zusammenarbeit bei der Rückführung von Flüchtlingen aus Eritrea und Somalia. Kenia soll eine zentrale Rolle dabei spielen, diese Migranten in ihre Heimatländer zurückzubringen. Das Abkommen könnte somit helfen, die Belastungen des deutschen Asylsystems zu verringern.
Usbekistan: Rückführung und Abschiebungen nach Afghanistan
Verpflichtung zur Rücknahme usbekischer Staatsbürger
Auch Usbekistan hat sich dazu verpflichtet, seine in Deutschland illegal lebenden Staatsangehörigen zurückzunehmen. Zwar sind derzeit nur 203 Usbeken ausreisepflichtig, doch das Abkommen soll eine breitere strategische Bedeutung haben.
Abschiebungen nach Afghanistan über Usbekistan
Ein wesentlicher Aspekt der Vereinbarung mit Usbekistan ist die Kooperation bei der Abschiebung afghanischer Staatsbürger. Deutschland möchte kriminelle Afghanen über Usbekistan nach Afghanistan zurückführen. Diese Transitlösung könnte ein wichtiger Baustein in der deutschen Abschiebepolitik werden, die aufgrund von rechtlichen und logistischen Hürden bisher nur begrenzt erfolgreich war.
Kasachstan: Keine Abschiebungen, sondern Öl und strategische Partnerschaften
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Energiepolitik
Während die Abkommen mit Kenia und Usbekistan primär migrationspolitische Ziele verfolgen, steht bei den Verhandlungen mit Kasachstan die Energiepolitik im Vordergrund. Kasachstan, eine ehemalige Sowjetrepublik, ist ein wichtiger Produzent von Öl und Gas und steht geopolitisch zwischen Russland und dem Westen.
Reduzierung der russischen Abhängigkeit
Ein zentrales Ziel der deutschen Außenpolitik ist es, Kasachstan als Handelspartner zu stärken, um die Abhängigkeit des Landes von Russland zu verringern. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit in Handel und Energie will Deutschland Kasachstan helfen, sich unabhängiger von russischem Einfluss zu machen.
Expertenmeinungen: Effektive Strategie oder politische Nebelkerzen?
Gerald Knaus: Kooperative Partner als Schlüssel
Der Migrationsforscher Gerald Knaus betont, dass Abschiebungen nur dann erfolgreich sein können, wenn die betroffenen Länder ein echtes Interesse an der Kooperation haben. In diesem Sinne sieht er die Abkommen mit Kenia und Usbekistan als einen sinnvollen Schritt. Wenn es zusätzlich gelinge, die irreguläre Migration zu reduzieren, könnte die Strategie der Bundesregierung langfristig aufgehen.
Kay Hailbronner: Gesetzliche Hürden bleiben bestehen
Der Asylrechtsexperte Kay Hailbronner warnt jedoch davor, die Erwartungen an die Abkommen zu hoch zu schrauben. Er weist darauf hin, dass europäische und nationale Vorschriften, die Abschiebungen verbieten, weiterhin bestehen. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen könnten die praktischen Auswirkungen der Abkommen stark einschränken.
Constantin Hruschka: Gefahr der Fremdbestimmung
Prof. Constantin Hruschka von der Evangelischen Hochschule Freiburg äußert Bedenken hinsichtlich der politischen Fokussierung der Abkommen. Er argumentiert, dass der starke innenpolitische Fokus auf Abschiebungen die Gefahr birgt, dass Deutschland in außenpolitischen Angelegenheiten an Einfluss verliert und sich in eine Position der Fremdbestimmtheit begibt.