Die erste Landtagssitzung in Thüringen nach der Wahl endet im völligen Chaos. Nach insgesamt sechs Unterbrechungen wird die Sitzung vertagt. CDU-Politiker Andreas Bühl äußerte sich frustriert: „Wir greifen jetzt zum letzten Mittel und werden den Thüringer Verfassungsgerichtshof anrufen.“ Die Sitzung soll am Samstag um 9.30 Uhr fortgesetzt werden.
Hintergrund des Konflikts: Machtkampf um den Landtagspräsidenten
Im Zentrum des politischen Durcheinanders steht die AfD, die als stärkste Kraft im Parlament ihre Kandidatin Wiebke Muhsal (38) zur ersten AfD-Landtagspräsidentin Deutschlands wählen lassen will. Laut Geschäftsordnung darf nur die stärkste Fraktion in den ersten Wahlrunden Kandidaten aufstellen. Sollten in zwei Wahlgängen keine ausreichenden Ja-Stimmen zusammenkommen, könnten erst dann andere Parteien, wie CDU, BSW, Linke oder SPD, ihre eigenen Kandidaten nominieren.
Sorge vor einer Blockade: Misstrauen gegen den AfD-Sitzungsleiter
Ein Kernpunkt des Konflikts ist die Sorge der anderen Parteien, dass der AfD-Alterspräsident und Sitzungsleiter Jürgen Treutler (73) Kandidaten der anderen Parteien schlichtweg nicht zulassen würde. CDU und BSW fordern deshalb eine Änderung der Regeln, um bereits in der ersten Wahlrunde eigene Kandidaten ins Rennen schicken zu können.
Brisante Vergangenheit der AfD-Kandidatin
Besonders brisant: Wiebke Muhsal wurde 2014 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt, nachdem sie den Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin rückdatiert hatte, um deren Lohn zurückzuhalten.
Eskalation der Sitzung: Ordnungsrufe und Mikrofonabschaltungen
Die Sitzung war geprägt von Buhrufen, Pfiffen und ständigen Unterbrechungen. Im Mittelpunkt stand der AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler, der seine Rolle als Sitzungsleiter auffällig parteiisch ausübte. Er ließ Mikros abschalten, obwohl die Landtagsverwaltung dies schließlich verweigerte, und erteilte Ordnungsrufe, obwohl ihm dieses Recht nicht zusteht. Treutler hielt zudem lange Vorträge und unterband Debatten, um die angestrebte Regeländerung zu verhindern.
Vorwurf der Demokratieverachtung
Abgeordnete mehrerer Parteien warfen Treutler vor, die Demokratie zu missachten, indem er den Antrag blockierte. Sie wollten eine Mehrheit im Landtag für die Regeländerung gewinnen. Die AfD hingegen sah darin einen „Taschenspielertrick“ der sogenannten „Kartellparteien“, wie es Björn Höcke ausdrückte.
Heftiger Nazi-Vergleich von CDU-Politiker
Inmitten des politischen Durcheinanders griff CDU-Politiker Andreas Bühl zu einem drastischen Vergleich und sprach von einer „Machtergreifung“. Diese Aussage bezog sich auf den Machtaufstieg der Nationalsozialisten, die ihre politischen Gegner brutal unterdrückten. Bühl's Äußerung sorgte für Empörung und verschärfte die ohnehin angespannte Lage weiter.
Expertenmeinung: Vorhersehbares Theater
Politikexperte Prof. Oliver Lembcke von der Universität Bochum kommentierte die Ereignisse und stellte fest: „Das befürchtete Theater hat sich leider vollauf bestätigt.“ Die dramatischen Entwicklungen im Landtag bestätigten seine Befürchtungen über die schwierige Regierungsbildung in Thüringen.
Konsequenzen für die Regierungsbildung: AfD in der Schlüsselposition
Besonders brisant für die AfD und deren Chef Björn Höcke: Solange kein Landtagspräsident gewählt ist, kann auch kein neuer Ministerpräsident für Thüringen bestimmt werden.