In den USA war es lange Tradition, dass die Bürger noch in der Wahlnacht erfuhren, wer der nächste Präsident sein würde. Zwar wurde dies selten offiziell bestätigt, aber die Hochrechnungen der Medien boten in der Regel eine zuverlässige Vorhersage. Eine Ausnahme stellte die Wahl von 2000 dar. In diesem Jahr lieferten sich der Republikaner George W. Bush und der Demokrat Al Gore ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das an den knappen Ergebnissen in Florida hing. Erst nach fast drei Wochen und zahlreichen rechtlichen Auseinandersetzungen konnte Bush mit einem Vorsprung von 537 Stimmen als Sieger bestätigt werden.
Eine zweite Ausnahme fand 2020 statt, als Donald Trump gegen Joe Biden kandidierte. Bedingt durch die Corona-Pandemie wurden viele Stimmen per Briefwahl abgegeben, was zu einer Verzögerung führte. Erst am Samstag nach der Wahl stand fest, dass Biden die Mehrheit der Wahlleute hinter sich versammelt hatte. In einigen Bundesstaaten, wie Arizona, dauerte es sogar noch länger, bis die Medien ein endgültiges Ergebnis veröffentlichten.
Zeitlicher Ablauf: Schließzeiten der Wahllokale
Die ersten Wahllokale an der Ostküste der USA schließen um 18 Uhr Ortszeit, was Mitternacht deutscher Zeit entspricht. In den sicheren Bundesstaaten, wie Kentucky und Indiana, wird es wahrscheinlich schnell zu einer Verkündung des Siegers kommen, wobei Trump dort mit einem deutlichen Vorsprung gerechnet wird. Eine Stunde später, gegen 1 Uhr deutscher Zeit, enden die Wahlen in den entscheidenden Swing States wie Georgia und North Carolina. Die nördlichen umkämpften Staaten wie Pennsylvania, Michigan und Wisconsin schließen ihre Wahllokale bis spätestens 3 Uhr deutscher Zeit, während die letzten Stimmen in Arizona und Nevada zwischen 3 und 4 Uhr deutscher Zeit abgegeben werden. Die allerletzten Wahllokale befinden sich auf den Aleuten in Alaska, die um 7 Uhr deutscher Zeit schließen – zu diesem Zeitpunkt wird Trump voraussichtlich bereits als Sieger in Alaska gezählt.
Wahrscheinlichkeit einer schnellen Entscheidung
Eine schnelle Entscheidung hängt stark von der Umfragegenauigkeit und der Fehlerquote ab. Wenn Trump oder Harris in den entscheidenden Swing States die Umfragen knapp gewinnen, könnte das Ergebnis relativ schnell feststehen. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Korrektur der Umfrageinstitute aufgrund der Erfahrungen von 2016 und 2020, als die Unterstützung für Trump unterschätzt wurde. Trotz verbesserter Modelle bleibt jedoch unklar, ob die Umfragen nun genauer sind oder gar das Gegenteil – Harris eine höhere Unterstützung zugeschrieben wird als tatsächlich vorhanden.
Es ist jedoch ebenso möglich, dass das Rennen eng bleibt und sich über mehrere Tage hinzieht, insbesondere wenn kein deutlicher nationaler Trend erkennbar ist. In diesem Fall könnten erst nach einer vollständigen Auszählung und eventuellen Nachzählungen belastbare Ergebnisse vorliegen.
Briefwahl: Zeitaufwändige Auszählung
Ein wesentlicher Grund für mögliche Verzögerungen ist die hohe Zahl an Briefwählern, eine Entwicklung, die seit der Corona-Pandemie anhält. Briefwahlstimmen erfordern eine aufwendigere Auszählung: Die Kuverts müssen geöffnet, Unterschriften überprüft und Wahlzettel vorbereitet werden. Diese zusätzlichen Schritte sind zeitaufwändig, und in manchen Staaten darf die Auszählung erst am Wahltag beginnen.
Einige Staaten, wie Michigan, haben ihre Gesetze reformiert, um die Auszählung zu beschleunigen. In den wichtigen Nachbarstaaten Pennsylvania und Wisconsin konnten jedoch keine entsprechenden Änderungen durchgesetzt werden. Somit könnte sich in diesen Staaten das Szenario eines „Scheinsiegs“ wiederholen. Dieses Phänomen trat 2020 auf, als die zuerst ausgezählten Stimmen in ländlichen Gebieten einen Vorsprung für Trump zeigten, während die später hinzukommenden Briefwahlstimmen aus städtischen Gebieten einen Vorteil für Biden bedeuteten. Dieses Umschwenken der Ergebnisse führte in der Wahlnacht zu falschen Betrugsanschuldigungen.
Rechtliche Herausforderungen und Fristen
Sollte das Ergebnis knapp ausfallen und Pennsylvania oder Wisconsin entscheiden über den Ausgang, könnte die Bekanntgabe des nächsten Präsidenten mehrere Tage dauern. Auch bei einem klareren Ergebnis ist mit rechtlichen Anfechtungen zu rechnen, da das amerikanische Wahlrecht viele Spielräume lässt. Die einzelnen Bundesstaaten haben bis zum 11. Dezember Zeit, ihre Ergebnisse zu zertifizieren. Die offizielle Wahl durch das „electoral college“ erfolgt erst später, wobei die 538 Wahlleute dezentral in den Hauptstädten ihrer jeweiligen Staaten zusammenkommen.
Am 6. Januar schließlich wird der Kongress in Washington die endgültigen Ergebnisse offiziell bestätigen. In der Zwischenzeit müssen sich die Amerikaner, anders als in Deutschland, mit der medialen Berichterstattung begnügen, da es keinen zentralen Bundeswahlleiter gibt. Die Medienhäuser haben daher eine hohe Verantwortung und werden in diesem Jahr vermutlich noch vorsichtiger agieren, um voreilige Prognosen zu vermeiden.