Die CDU und CSU halten an der Idee fest, Kernkraft in Deutschland wiederzubeleben. Ihre "Neue Energie-Agenda" skizziert Möglichkeiten zur Reaktivierung alter Atomkraftwerke, die Erforschung kleiner Atomkraftwerke (SMRs) sowie die Investition in Kernfusionstechnologien. Doch Experten und Forscher sehen zahlreiche Herausforderungen, die diese Pläne in Frage stellen.
Rückbau stoppen und Reaktoren wieder in Betrieb nehmen?
Obwohl Deutschland im Jahr 2022 die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet hat, liebäugelt die Union mit einer Reaktivierung. Laut dem Fraktionspapier fordert die Union eine Machbarkeitsstudie zur Wiederinbetriebnahme der abgeschalteten Anlagen. Hierbei wird betont, dass Deutschlands industrielle Stärke und die geplante Entwicklung eines KI-Standorts alle verfügbaren Energiequellen erfordert. Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, argumentiert, dass nur eine maximale Nutzung der Kapazitäten die angestrebte Wirtschaftskraft sichert.
Allerdings sind die Betreiber der Anlagen skeptisch, und auch wissenschaftliche Stimmen wie Felix Matthes vom Öko-Institut zweifeln am Erfolg dieser Pläne. Er sieht die Wiederaufnahme des Atomkraftbetriebs als "Mischung aus Illusion und Nebelkerzen-Werferei", insbesondere angesichts der hohen Investitionskosten. Zudem stellen die niedrigen Betriebskosten der alten Atomkraftwerke laut Matthes keinen Vorteil dar, da der Großteil des erzeugten Stroms ins Ausland exportiert wurde. Auch Professor Antonio Hurtado von der TU Dresden betont, dass eine Reaktivierung der Anlagen sowohl technisch als auch gesellschaftlich problematisch sei und eher ein Rückschritt in der Energiepolitik bedeuten würde.
Neue Perspektive: Mini-Atomkraftwerke und ihre Chancen
Ein interessanter Aspekt in der Energie-Agenda der Union ist die Förderung von sogenannten kleinen modularen Reaktoren (SMRs), die als innovative Alternative zur klassischen Atomkraft gelten. SMRs sollen, so die Hoffnung, einfacher und kostengünstiger zu bauen sein, da ihre Module in Fabriken vorgefertigt und dann auf dem Kraftwerksgelände montiert werden können. In den USA gibt es bereits erste Ansätze solcher Projekte, wie das vom Start-up NuScale. Allerdings scheiterte auch dieses Projekt wegen explodierender Kosten, trotz erheblicher Subventionen.
SMRs könnten eine inhärent sichere Energiequelle bieten, argumentiert Professor Hurtado, der betont, dass diese Reaktoren sogar hoch radioaktiven Abfall als Brennstoff verwenden könnten. Er verweist auf Pläne, die Microsoft für einen SMR auf dem ehemaligen Gelände des Kraftwerks Three Mile Island in Pennsylvania hat. Hurtado sieht die Technologie als Chance, die deutsche Expertise im Bereich der Kerntechnik zu erhalten und weiterzuentwickeln, da SMRs ergänzend zu erneuerbaren Energien eingesetzt werden könnten.
Kritiker wie Matthes hingegen zweifeln daran, dass SMRs tatsächlich kostengünstiger werden könnten. Die Idee sei alt, doch bisher hätten kaum Unternehmen ernsthafte Investitionen getätigt. Matthes warnte davor, diese Technologie auf Kosten der Steuerzahler zu finanzieren, solange konkrete Erfolge noch ausstehen.
Kernfusion: Traum oder reale Zukunft?
Ein dritter Schwerpunkt der Energie-Agenda ist die Kernfusion. Die Union fordert, dass Deutschland den weltweit ersten ans Netz angeschlossenen Fusionsreaktor baut. Dazu sollen zwei konkurrierende Fusionsreaktoren durch den Bund beauftragt werden. Deutsche Start-ups wie Focused Energy und Marvel Fusion arbeiten bereits an entsprechenden Technologien und könnten diese Projekte umsetzen.
Die Kernfusion gilt als potenziell unerschöpfliche Energiequelle, da sie durch die Verschmelzung von Atomkernen große Mengen Energie erzeugt, ohne dabei den langlebigen radioaktiven Abfall herkömmlicher Atomkraft zu produzieren. Dennoch stehen die Forscher noch am Anfang, und es bleibt unklar, ob und wann diese Technologie tatsächlich marktreif wird.
Klimaneutralität und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit
Neben den kerntechnischen Plänen bleibt die Union weiterhin der Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet. Die Unionsfraktion sieht jedoch Möglichkeiten, die Kosten zu senken, indem Stromleitungen vermehrt oberirdisch statt unterirdisch verlegt werden. Hierdurch könnten die kostspieligen Erdverkabelungen, die 2015 von der Großen Koalition beschlossen wurden, umgangen werden.
Zusätzlich plant die Union, das sogenannte Wasserstoff-Kernnetz auszubauen und die bestehenden Pläne für die Infrastruktur zu erweitern. Der Wasserstoff soll langfristig zur Dekarbonisierung beitragen und könnte die Industrie mit nachhaltigem Brennstoff versorgen.