Regieren ohne Mehrheit: Die Herausforderungen und Chancen einer Minderheitsregierung
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Regieren ohne Mehrheit: Die Herausforderungen und Chancen einer Minderheitsregierung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) stehen vor der Herausforderung, nach dem Ausscheiden der FDP eine Minderheitsregierung zu führen. Diese Situation erfordert es, Gesetzesvorhaben künftig nur noch mit Unterstützung der Opposition durchzusetzen.

Was ist eine Minderheitsregierung?

Eine Minderheitsregierung besteht aus einer oder mehreren Fraktionen, die im Parlament nicht über eine absolute Mehrheit verfügen. Um Entscheidungen treffen und Gesetze verabschieden zu können, muss sie politische Mehrheiten außerhalb ihrer eigenen Reihen finden und mit der Opposition zusammenarbeiten. Dies kann durch Absprachen mit Oppositionsparteien oder unabhängigen Abgeordneten geschehen.

Wie entsteht eine Minderheitsregierung?

Eine Minderheitsregierung kann entweder durch den Rückzug eines Koalitionspartners während einer Legislaturperiode oder zu Beginn einer neuen Wahlperiode entstehen. Sollte im Bundestag kein Kanzlerkandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten, könnte im dritten Wahlgang eine einfache Mehrheit genügen, um den Kanzlerposten zu besetzen. In diesem Fall ernennt der Bundespräsident den Kandidaten mit den meisten Stimmen.

Rechte und Pflichten in einer Minderheitsregierung

Auch ohne absolute Mehrheit im Bundestag besitzt der Kanzler in einer Minderheitsregierung nach dem Grundgesetz dieselben Rechte und Pflichten wie ein Kanzler mit parlamentarischer Mehrheit. Dazu gehört die Richtlinienkompetenz, das Recht, die Grundzüge der Regierungspolitik zu bestimmen. Diese Kompetenzen bleiben zwar bestehen, jedoch ist deren Durchsetzung durch die Notwendigkeit der Mehrheitsfindung erschwert.

Wege zur Mehrheitsfindung im Parlament

Eine Minderheitsregierung muss politische Mehrheiten für ihre Initiativen gewinnen. Dafür stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Zum Beispiel könnte die Regierung eine Tolerierungsabrede mit einer Oppositionspartei treffen, bei der diese sich verpflichtet, bestimmten Regierungsvorhaben nicht im Wege zu stehen oder sich zu enthalten, was einer Zustimmung gleichkäme. Insbesondere bei haushaltsrelevanten Beschlüssen kann eine solche Vereinbarung entscheidend sein.

Die neue Rolle des Bundestages

Die Oppositionsparteien gewinnen in einem solchen Szenario an Macht, da sie im Bundestag nun die Mehrheit innehaben und so stärker auf die Regierung einwirken können. Sie haben das Recht, den Kanzler oder die Minister vor dem Plenum oder in Ausschüssen zur Rechenschaft zu ziehen. Zudem könnten sie eigene Gesetze einbringen und so direkt an der Gestaltung der Politik teilhaben.

Historische Beispiele von Minderheitsregierungen in Deutschland

Auf Bundesebene hat es bisher nur selten Minderheitsregierungen gegeben. Beispiele sind die Regierung von Ludwig Erhard (CDU) 1966 und die Regierung von Helmut Schmidt (SPD) 1982. Beide Regierungsphasen waren jedoch nur von kurzer Dauer und führten letztlich zu Neuwahlen oder Koalitionsbildungen.