Friedrich Merz bemüht sich, Gelassenheit zu demonstrieren. Nach einer ereignisreichen Woche erklärt der Unionskanzlerkandidat, er sei "mit sich im Reinen". Doch die Frage bleibt: Sind es die Wähler auch? Die Debatten um die Migrationspolitik haben die politische Landschaft erschüttert. Besonders auffällig: Es gibt Profiteure und Verlierer dieses Streits.
Die Eskalation der Migrationsdebatte
In den letzten Tagen hat Merz den politischen Diskurs radikalisiert. Er hat das Verhältnis der CDU zur AfD neu definiert und erstmals mit der als rechtsextrem eingestuften Partei kooperiert. Diese Annäherung hat massive Proteste ausgelöst. Hinzu kam, dass Merz sein "Zustrombegrenzungsgesetz" trotz zahlreicher Kritik durchsetzen wollte – und damit letztlich scheiterte. Besonders brisant: Selbst Abgeordnete der eigenen Fraktion und der FDP verweigerten ihm die Gefolgschaft. Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel kritisierte seinen Kurs öffentlich scharf.
Die Union verliert an Zustimmung
Bislang sind die Verluste der Union gering, aber messbar. Umfragen zeigen, dass sie erstmals seit November 2023 unter die 30-Prozent-Marke gefallen ist. Das konservative Insa-Institut stellte fest, dass 66 Prozent der Bevölkerung die Merz-Vorschläge unterstützen, darunter viele SPD-Wähler. Doch andere Umfragen zeigen, dass nur 19 Prozent Migration als das drängendste Problem sehen. Die wirtschaftliche Lage und internationale Entwicklungen wie die erneute Präsidentschaft Donald Trumps werden als wichtiger eingeschätzt.
Die AfD profitiert vom Streit
Die größte Profiteurin der Debatte ist die AfD. Politische Beobachter hatten bereits vorhergesagt, dass eine Polarisierung der Migrationsfrage vor allem extremen Parteien nutzen würde. Tatsächlich konnte die AfD in den aktuellen Umfragen zulegen, während Union, SPD und Grüne Verluste verzeichnen.
Wirtschaftliche Sorgen dominieren die Wählergunst
Demoskop Manfred Güllner von Forsa kritisiert den strategischen Fehler der Union. Migration sei zwar ein wichtiges Thema, aber nicht das entscheidende für die Wahl. "Letztlich ist die Frage der ökonomischen und sozialen Sicherheit wahlentscheidend", betont Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Die SPD hat auf diesem Gebiet laut Umfragen jedoch wenig Vertrauen in der Bevölkerung.
Friedrich Merz unter Druck
Die CDU befindet sich in einer heiklen Situation. Laut Forsa liegt die Union bei nur noch 28 Prozent und damit nicht weit entfernt von ihrem historischen Tiefstand von 2021. Wenn sich die internen Konflikte vertiefen, könnte die Partei weiter an Zustimmung verlieren. Hermann Binkert vom Insa-Institut betont, dass nur eine geeinte CDU/CSU eine Chance auf Erfolg habe. Innerparteiliche Streitigkeiten würden die Verluste verstärken.
Schwäche der Regierungsparteien
Die Bundesregierung kann aus dem Streit um die Migrationspolitik bisher keinen Nutzen ziehen. Kanzler Olaf Scholz und die SPD leiden unter einer verfestigten negativen Wahrnehmung in der Bevölkerung. Auch die FDP steht unter Druck: Konservative Wähler geben ihr die Schuld an der Niederlage der Merz-Vorschläge, während sie von progressiven Wählern keine Unterstützung erwarten kann.
Eine unerwartete Gewinnerin: Die Linke
Interessanterweise könnte die Linke von der aktuellen politischen Situation profitieren. Laut Güllner hat die Partei mit Heidi Reichinnek, Jan van Aken und den erfahrenen Politikern Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch eine gute Mischung gefunden. Ihre klaren Positionen in sozialen Fragen könnten ihnen helfen, wieder in den Bundestag einzuziehen.
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Titelbild: cdu csu
Bild erstellt: CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
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