Wenn Menschen im Alter in ein Pflegeheim müssen und ihre eigene Rente sowie Ersparnisse nicht ausreichen, um die Kosten zu decken, tritt in Deutschland häufig das Sozialamt ein, um Unterstützung zu gewähren. Doch wenn die Kinder der Pflegebedürftigen ein hohes Einkommen haben, kann es passieren, dass sie zur finanziellen Unterstützung herangezogen werden. Dieser sogenannte "Elternunterhalt" ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Ab einem bestimmten Jahreseinkommen kann der Sozialhilfeträger von den Kindern verlangen, sich an den Pflegekosten der Eltern zu beteiligen. Doch wie genau funktioniert das? Ab welchem Einkommen müssen Kinder zahlen, und welche rechtlichen Regelungen gelten?
Was ist Elternunterhalt?
Elternunterhalt ist ein Rechtsbegriff im deutschen Sozialrecht, der sich auf die Pflicht von Kindern bezieht, für den Unterhalt ihrer Eltern aufzukommen, wenn diese selbst nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Dies kann besonders dann relevant werden, wenn die Eltern pflegebedürftig werden und in ein Pflegeheim müssen, deren Kosten ihre Rente und Ersparnisse übersteigen. In solchen Fällen übernimmt zunächst das Sozialamt die Pflegekosten. Danach kann das Amt allerdings prüfen, ob die Kinder über ausreichend Einkommen verfügen, um einen Teil der Kosten zu tragen.
Voraussetzungen für die Verpflichtung zum Elternunterhalt
Die Pflicht, Elternunterhalt zu zahlen, hängt von bestimmten Voraussetzungen ab. Nicht jedes Kind muss automatisch zahlen, sobald die Eltern ins Pflegeheim kommen. Es gelten strenge gesetzliche Vorgaben:
- Einkommensgrenze von 100.000 Euro: Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass Kinder erst ab einem jährlichen Bruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro verpflichtet sind, Elternunterhalt zu zahlen. Dies entspricht einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 5.000 bis 5.500 Euro, abhängig von verschiedenen Faktoren wie Familienstand und Beschäftigungsart.
- Individuelle Berechnung des Nettoeinkommens: Das Oberlandesgericht München (Az.: 2 UF 1201/23 e) hat in einer Entscheidung verdeutlicht, dass diese 100.000-Euro-Grenze auf ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen heruntergerechnet werden kann, welches in etwa dem entspricht, was mit einem Bruttoeinkommen von 100.000 Euro erzielt wird. Diese Berechnungen sind jedoch individuell und hängen von Faktoren wie dem Familienstand, der Steuerklasse und eventuellen zusätzlichen Altersvorsorgemaßnahmen ab.
- Nicht nur das Einkommen zählt: Neben dem Einkommen berücksichtigt das Gericht auch weitere Faktoren, wie etwa bestehende Verpflichtungen des unterhaltspflichtigen Kindes (z. B. eigene Kinder oder Ehepartner, die unterstützt werden müssen) und besondere Ausgaben (z. B. eine zusätzliche Altersvorsorge).
Beispiel aus der Praxis: Entscheidung des Oberlandesgerichts München
In einem Fall, der vor dem Oberlandesgericht München verhandelt wurde, erhielt eine psychisch kranke Frau Leistungen vom Sozialhilfeträger in Höhe von mehr als 60.000 Euro pro Jahr. Der Träger versuchte, diese Kosten durch eine Unterhaltsklage gegen den Sohn der Frau wiederzuerlangen. Der Versuch scheiterte jedoch. Die Begründung: Das Einkommen des Sohnes lag unterhalb der festgelegten Grenze von 100.000 Euro Jahresbruttoeinkommen beziehungsweise 5.000 Euro monatlichem Nettoeinkommen. Nach Abzug der gesetzlichen Abgaben und seiner zusätzlichen Altersvorsorge betrug sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen lediglich 4.475 Euro pro Monat.
Wann sind Kinder wirklich verpflichtet zu zahlen?
Kinder sind nur dann verpflichtet, Elternunterhalt zu zahlen, wenn sie die Einkommensgrenze überschreiten und ihr „bereinigtes Nettoeinkommen“ (also das Einkommen nach Abzug bestimmter Ausgaben und Abgaben) diese Summe übersteigt. In vielen Fällen liegt das Einkommen der Kinder jedoch unter dieser Grenze, insbesondere wenn sie eigene Verpflichtungen haben, wie zum Beispiel Unterhaltszahlungen an eigene Kinder oder hohe Kreditverpflichtungen.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Einkommen der Partner nicht automatisch mit einbezogen wird. Das bedeutet, dass selbst wenn ein Kind verheiratet ist und der Ehepartner ein hohes Einkommen hat, dies nicht zwangsläufig dazu führt, dass das Kind unterhaltspflichtig wird. Nur das eigene Einkommen zählt, wobei bestimmte Freibeträge und Ausgaben berücksichtigt werden.
Bedeutung der Entscheidung für Betroffene
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München bringt für viele Familien Klarheit. Sie verdeutlicht, dass die Schwelle für die Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt relativ hoch angesetzt ist. Dies ist besonders relevant in einem Land wie Deutschland, wo die demografische Entwicklung dazu führt, dass immer mehr Menschen im Alter auf Pflege angewiesen sind. Ohne diese Regelung könnten auch Personen mit einem durchschnittlichen Einkommen in die Pflicht genommen werden, was eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen würde.
Die hohe Einkommensgrenze sorgt dafür, dass nur diejenigen Kinder zur Kasse gebeten werden, die tatsächlich über ein sehr hohes Einkommen verfügen. Dies bedeutet auch, dass viele Familien, die sich Sorgen um die Pflegekosten der Eltern machen, entlastet werden. Die Regelung schließt viele durchschnittliche Verdiener aus und sorgt so für soziale Gerechtigkeit.
Schutz der Altersvorsorge
Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der Diskussion um den Elternunterhalt oft übersehen wird, ist der Schutz der Altersvorsorge der Kinder. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, auch zusätzliche Altersvorsorgemaßnahmen der Kinder zu berücksichtigen, wenn es um die Berechnung des unterhaltsrechtlichen Einkommens geht. Das bedeutet, dass Aufwendungen für private Rentenversicherungen oder betriebliche Altersvorsorgeprogramme vom Einkommen abgezogen werden können. Damit wird sichergestellt, dass Kinder nicht in eine finanzielle Notlage geraten, wenn sie selbst für ihr Alter vorsorgen wollen.