Die Wohnungsbaupolitik in der EU wurde bislang selten als zentrales Thema betrachtet. Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bringt das Thema nun auf die europäische Bühne. Sie betonte kürzlich im Europäischen Parlament, dass die EU dort eingreifen sollte, wo es für die Europäer am wichtigsten ist. Dies deutet auf eine mögliche Überregulierung hin, trotz der Absicht, den öffentlichen und privaten Sektor zu unterstützen.
Der Plan für erschwinglichen Wohnraum
Von der Leyen kündigte an, einen neuen Kommissar für Wohnungsbau zu ernennen, der einen "Europäischen Plan für erschwinglichen Wohnraum" entwickeln soll. Axel Gedaschko, Präsident des GdW, begrüßt diesen Schritt und hofft, dass der neue Kommissar die Auswirkungen anderer Kommissionsentscheidungen auf den Wohnungsbau überprüfen und die Mittel der Europäischen Investitionsbank besser nutzen wird.
Bedenken und Realitäten
Realisten befürchten jedoch, dass ein neuer Kommissar ohne eigene Zuständigkeiten versuchen könnte, seine Position durch zusätzliche regulatorische Vorgaben zu stärken. Dies könnte das bereits komplexe System in Deutschland weiter verkomplizieren. Ein Beispiel dafür ist die strikte Sanierungspflicht, die vor zwei Jahren nur knapp verhindert wurde.
Kompliziertes Bauen in Deutschland
Der Wohnungsbau in Deutschland ist durch überlappende Zuständigkeiten von Kommunen, Ländern und Bund sowie durch den DIN-Normenausschuss Bauwesen bereits stark reguliert. Ein weiterer bürokratischer Aufbau könnte die Situation weiter verschlechtern.
Erleichterungen durch die erste Umbauordnung
Positiv ist jedoch die Entwicklung in Niedersachsen, das als erstes Bundesland eine neue Bauordnung eingeführt hat. Diese soll den Umbau von Bestandsgebäuden erleichtern und das Dickicht von Vorschriften reduzieren.
Novellierte Bauordnung in Niedersachsen
Der neue Paragraph 85a in der niedersächsischen Bauordnung besagt, dass bestehende Gebäudeteile nur den Anforderungen des Baujahres entsprechen müssen, wenn sie umgebaut werden. Dies erleichtert Umbauten und Aufstockungen erheblich, solange die Standfestigkeit und der Brandschutz gewahrt bleiben. Zuvor mussten Gebäude bei einem Dachausbau komplett den aktuellen Brandschutzanforderungen entsprechen, was viele Bauprojekte verhinderte.
Erleichterungen für Bauherren
Die Novelle bringt weitere Erleichterungen: Bauherren, die durch Umbau oder Aufstockung neue Wohnungen schaffen, sind nicht mehr verpflichtet, zusätzliche Stellplätze zu schaffen. Dies senkt die Baukosten erheblich, da Tiefgaragen oder Stellplatzablösen nicht mehr nötig sind.
Verbesserte Nachverdichtung
Auch die Regelungen für den Mindestabstand zu Nachbargebäuden wurden überarbeitet, was Aufstockungen erleichtert. Diese Änderungen sind ein wichtiger Schritt, um den Wohnungsbau zu fördern und den Wohnungsmarkt zu entlasten.
Vorgaben bis zu Zahl der Steckdosen
Eine bedeutende Neuerung kommt aus dem Bundesjustizministerium: Minister Marco Buschmann hat einen Gesetzesentwurf zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus vorgelegt. Dieser Entwurf erlaubt den Bau von Häusern, die bestimmte Komfortstandards nicht erfüllen müssen. Es geht dabei um Standards wie Raumhöhen, Anzahl der Steckdosen und Innentemperaturen, die bisher nicht gesetzlich vorgeschrieben waren, sich aber aufgrund gerichtlicher Entscheidungen durchgesetzt haben. Gerichte betrachten diese als maßgeblich und verlangen, dass Planer sich an die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ halten, selbst wenn die DIN-Normen hinter diesen Standards zurückbleiben.
Haftung von Architekten und Ingenieuren
Architekten und Ingenieure haften unter Umständen, auch wenn sie alle schriftlich fixierten Normen eingehalten haben. Dies hat zur Überzüchtung der Gebäudeausstattung und damit zur Steigerung der Baukosten in Deutschland beigetragen. Mit der geplanten Gesetzesänderung im Bauvertragsrecht wird es künftig möglich sein, dass nur die sicherheitstechnischen Normen erfüllt werden müssen. Diese Regelung kann jedoch nur zwischen fachkundigen Unternehmen vertraglich festgelegt werden.
Zweifel an der Umsetzung
Es gab in der Fachwelt Zweifel daran, ob Buschmann das Gesetz tatsächlich umsetzen würde, da es Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfordert. Eingriffe in das BGB, das als heiliges Buch der Juristen gilt, sind normalerweise umstritten, insbesondere wenn es um vergleichsweise kleinteilige Angelegenheiten geht. Trotzdem hat Buschmann den Entwurf vorgelegt, was vor allem der sozialdemokratischen Bundesbauministerin Klara Geywitz zugutekommt.
Unterstützung für Bundesbauministerin Klara Geywitz
Klara Geywitz, die Bundesbauministerin, die von Anfang an mit einem Mangel an Kompetenzen und finanziellen Mitteln zu kämpfen hatte, kann endlich einen nennenswerten Erfolg vorweisen. Der Gesetzentwurf von Buschmann, der noch das Kabinett und das Parlament passieren muss, ebnet den Weg für den Gebäudetyp E. Das „E“ steht wahlweise für einfach oder experimentell. Geywitz hat große Hoffnungen in diesen Gebäudetyp gesetzt und eine ausführliche Leitlinie dazu veröffentlicht.
Erwartungen und Realität
Die Erwartungen an den Gebäudetyp E sollten jedoch nicht zu hoch sein. Das Einsparpotenzial dieses Typs gegenüber konventionellen Bauten wird auf zehn Prozent geschätzt. Zudem ist dieser Gebäudetyp nur für professionelle Akteure geeignet, nicht für private Bauherren. Auch die Umbauordnung wird keinen Bauboom auslösen. Das oft erwähnte Potenzial von zwei Millionen Wohnungen, die durch Dachausbauten entstehen könnten, ist eine Illusion. Dennoch sind erste Schritte zur Bauwende gemacht.