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Hüter des Grundgesetzes: Das Bundesverfassungsgericht und seine Aufgaben
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Hüter des Grundgesetzes: Das Bundesverfassungsgericht und seine Aufgaben

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gilt seit seiner Gründung im Jahr 1951 als Hüter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland. Es ist sowohl Gericht als auch Verfassungsorgan. Seine Entscheidungen sind unanfechtbar und binden alle übrigen Staatsorgane.

Das Gericht versteht sich nicht als politisches Organ. Es entscheidet allein auf der Grundlage des Grundgesetzes und ist keinem Ministerium unterstellt. Auch der Sitz in Karlsruhe steht symbolisch für die Trennung von Recht und Politik: Während politische Entscheidungen früher in Bonn und heute in Berlin getroffen werden, wacht das Bundesverfassungsgericht in räumlicher Distanz über die Einhaltung der Verfassung.

Die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht wird ausschließlich auf Antrag tätig. Hierfür gibt es verschiedene Wege. So können die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages ein Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Zudem kann das Gericht auf Antrag von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat über das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien entscheiden.

Auch Bürgerinnen und Bürger können sich an das Gericht wenden, um ihre Grundrechte gegenüber dem Staat durchzusetzen. Die sogenannte Verfassungsbeschwerde ist der häufigste Verfahrensweg. Im vergangenen Jahr machten sie 96 Prozent der insgesamt 4.640 Verfahrensneueingänge aus. Die durchschnittliche Erfolgsquote der letzten zehn Jahre lag allerdings nur bei 1,56 Prozent.

Der Aufbau des Bundesverfassungsgerichts

Das Gericht besteht aus zwei Senaten, denen jeweils acht Richterinnen und Richter angehören. Vorsitzende sind der Präsident, aktuell Stephan Harbarth im Ersten Senat, sowie die Vizepräsidentin, Doris König, im Zweiten Senat. Beide Senate sind in mehrere Kammern mit jeweils drei Mitgliedern unterteilt.

Jede Richterin und jeder Richter verfügt über vier wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unterstützt werden sie zudem von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern sowie Mitarbeitenden in Verwaltung, Bibliothek und IT. Insgesamt arbeiten etwa 270 Menschen am Bundesverfassungsgericht.

Voraussetzungen für das Amt der Verfassungsrichter

Wer Verfassungsrichter werden will, muss mindestens 40 Jahre alt sein und die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen. Mindestens drei Mitglieder jedes Senats müssen aus einem der obersten Bundesgerichte stammen – etwa dem Bundesgerichtshof, dem Bundesverwaltungsgericht, dem Bundesfinanzhof, dem Bundesarbeitsgericht oder dem Bundessozialgericht. Auf diese Weise soll die besondere richterliche Erfahrung der obersten Gerichte in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einfließen.

Die Wahl der Richterinnen und Richter

Die 16 Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Auch die Wahl von Präsident und Vizepräsident erfolgt abwechselnd durch eines der beiden Gremien. Für die Wahl ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Dieses Verfahren soll die politische Ausgewogenheit in beiden Senaten sicherstellen.

Dauer der Amtszeit

Die Amtszeit beträgt in der Regel zwölf Jahre. Eine Altersgrenze ist das Ende des Monats, in dem die Richterin oder der Richter das 68. Lebensjahr vollendet. Nach Ablauf der Amtszeit bleiben die Richterinnen und Richter bis zur Ernennung ihrer Nachfolger im Amt. Eine Wiederwahl ist nicht möglich.

Verteilung der Zuständigkeiten

Die Zuständigkeiten der Senate sind im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt. Zudem fasst das Plenum, also alle 16 Richterinnen und Richter gemeinsam, Beschlüsse zur Verteilung der Aufgaben. Der Erste Senat entscheidet überwiegend über Verfassungsbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern in Fragen der Grundrechte. Der Zweite Senat ist stärker staatsrechtlich ausgerichtet und befasst sich insbesondere mit Streitigkeiten zwischen Staatsorganen wie Bundestag und Bundesregierung sowie mit den Rechten von Abgeordneten und politischen Parteien.

Entscheidungen stets im Kollegium

Eine alleinige Entscheidung durch einzelne Richterinnen oder Richter gibt es nicht. Entscheidungen werden immer im Kollegium getroffen. Je nach Verfahrensart gelten unterschiedliche Anforderungen. Über Verfassungsbeschwerden entscheiden in der Regel die Kammern der Senate, und dies muss einstimmig erfolgen. Ist keine Einstimmigkeit erreichbar, entscheidet der gesamte Senat mit seinen acht Mitgliedern.

Im Senat genügt in der Regel die einfache Mehrheit, um einen Verfassungsverstoß festzustellen. Bei acht Mitgliedern kann es jedoch zu einem Patt kommen. In einem solchen Fall wird kein Verfassungsverstoß festgestellt. Bei bestimmten Verfahrensarten, etwa dem Verbot politischer Parteien, ist laut Gesetz eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, um zum Nachteil des Antragsgegners zu entscheiden.

Sondervoten als Ausdruck abweichender Meinungen

Mitglieder der Senate, die nicht der Mehrheitsmeinung folgen, können ihre abweichende Sichtweise in einem sogenannten Sondervotum dokumentieren. Dieses wird gemeinsam mit der Entscheidung veröffentlicht und trägt den Namen des betreffenden Richters oder der Richterin. So nutzten etwa drei Mitglieder des Zweiten Senats diese Möglichkeit im Jahr 2020 bei einem Urteil zur Wahlrechtsreform.

Gleiches Stimmrecht für alle Mitglieder

Alle Mitglieder der Senate verfügen über gleiches Stimmrecht. Die Stimmen von Präsident und Vizepräsidentin zählen nicht mehr als die der anderen Richterinnen und Richter. Ein Senat ist beschlussfähig, wenn mindestens sechs Mitglieder anwesend sind.

Ausschluss von der Mitwirkung in Einzelfällen

In bestimmten Fällen kann ein Senat einzelne Richterinnen und Richter von der Mitwirkung ausschließen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie bereits in anderer Funktion mit der Sache befasst waren. Ein aktuelles Beispiel hierfür war ein Verfahren zu US-Drohnenangriffen im Jemen, bei dem der Zweite Senat lediglich zu siebt entschied. Weitere Gründe für einen Ausschluss können familiäre Beziehungen zu Beteiligten sein, etwa eine Ehe.

 

Gerichtsurteil in Schleswig-Holstein: Keine Lohnfortzahlung bei Tattoo-Entzündung
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Gerichtsurteil in Schleswig-Holstein: Keine Lohnfortzahlung bei Tattoo-Entzündung

Ein frisches Tattoo kann im schlimmsten Fall nicht nur gesundheitliche, sondern auch finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Wer durch eine infektionsbedingte Komplikation krankgeschrieben wird, hat möglicherweise keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein nun entschieden.

Pflegehilfskraft nach Tattoo krankgeschrieben

Im Mittelpunkt des Falls stand eine Pflegehilfskraft, die sich ein Tattoo am Arm stechen ließ. Kurz darauf entwickelte sich eine Entzündung, woraufhin die Frau krankgeschrieben wurde. Ihr Arbeitgeber verweigerte jedoch die Lohnfortzahlung. Die Begründung: Die Mitarbeiterin habe das Risiko bewusst auf sich genommen und damit gegen ihr eigenes gesundheitliches Interesse gehandelt.

Gericht bestätigt Auffassung des Arbeitgebers

Das Landesarbeitsgericht stützte die Entscheidung des Arbeitgebers. Nach Einschätzung der Richter lag ein grober Verstoß gegen die eigene Gesundheit vor. Laut Gesetz besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch grob fahrlässiges Verhalten selbst verschuldet wurde. Das Gericht verwies dabei auf ein durchschnittliches Infektionsrisiko von etwa fünf Prozent nach einer Tätowierung – ein Risiko, das als bekannt und nicht vernachlässigbar eingestuft wurde.

Bekanntes Risiko statt überraschende Komplikation

Die Richter kamen zu dem Schluss, dass eine solche Entzündung keine ungewöhnliche Ausnahme darstellt, sondern ein kalkulierbares Risiko sei, dem sich die Pflegekraft freiwillig ausgesetzt habe. Die Entscheidung, sich ein Tattoo stechen zu lassen, wurde daher als selbstverantwortlich eingegangenes Gesundheitsrisiko bewertet.

Verweigerung der Gehaltszahlung rechtens

In der Folge bestätigte das Gericht die Rechtmäßigkeit der verweigerten Entgeltfortzahlung. Der Arbeitgeber müsse in einem solchen Fall nicht für die finanziellen Folgen einer selbstgewählten Körpermodifikation einstehen. Die Verantwortung für mögliche Komplikationen liege bei der Arbeitnehmerin selbst.

 

Kritik des Bundesverfassungsgerichts an Hamburger Justiz
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Kritik des Bundesverfassungsgerichts an Hamburger Justiz

Das Bundesverfassungsgericht übte nach einer Klage des Medienunternehmens Axel Springer deutliche Kritik an der Hamburger Justiz. Der Grund war die schleppende Abfassung schriftlicher Urteilsbegründungen in Eilverfahren. Die Richter betonten, dass in Zivilprozessen die Frist zur schriftlichen Urteilsabfassung dem Einzelfall gerecht werden müsse – insbesondere, wenn schnelle Rechtsmittel erforderlich seien. Der Begriff „alsbald“ in der Zivilprozessordnung sei dabei nicht starr zu interpretieren, sondern verlange eine Interessenabwägung.

Axel Springer sah Grundrechte verletzt

Hintergrund war eine Verfassungsbeschwerde von Axel Springer. Das Unternehmen warf einem Hamburger Zivilgericht vor, die schriftliche Begründung eines Urteils zu spät nachgereicht zu haben. Dadurch sei das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt worden, da keine fundierte Berufung möglich gewesen sei.

Verfassungsgericht nahm Beschwerde nicht an

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung an. Zwar räumte es ein, dass eine verspätete Begründung problematisch sein könne – insbesondere in eilbedürftigen Fällen. Allerdings habe Springer nicht ausreichend dargelegt, warum eine Berufung nicht auch auf Basis des mündlich Erörterten und der früheren Beschlüsse möglich gewesen sei.

Streit um Drohnen-Recherche

Konkret betraf der Fall eine Berichterstattung über ein Drohnen-Unternehmen mit möglichen Verbindungen nach Russland. Das Landgericht Hamburg hatte bestimmte Aussagen per einstweiliger Verfügung untersagt. Zwar hatte eine mündliche Verhandlung stattgefunden, die schriftliche Urteilsbegründung blieb jedoch zunächst aus. Springer argumentierte, dass unter diesen Umständen eine fundierte Berufung nicht möglich gewesen sei.

Karlsruher Signal für zukünftige Verfahren

Laut Stefan Engels von der Kanzlei DLA Piper, der das Verfahren für Springer leitete, setzte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung ein wichtiges Signal für künftige Eilverfahren: Gerichte könnten sich nicht länger auf die Fünfmonatsfrist stützen, die für Hauptsacheverfahren gelte. Stattdessen müsse regelmäßig eine schnellere Urteilsbegründung erfolgen – abhängig vom Einzelfall und der Dringlichkeit.

Prozessrechtliche Regelungen im Fokus

Nach geltenden Prozessordnungen sollte ein Urteil grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach der Verkündung vollständig abgefasst sein. Falls das nicht möglich ist, dürfen Gerichte das Urteil auch ohne Begründung zustellen und diese später nachreichen. Seit 1993 galt eine inoffizielle Maximalfrist von fünf Monaten – eine Frist, die das Bundesverfassungsgericht nun zumindest für Eilverfahren infrage stellte.

 

Deutliche Lohnerhöhungen für Häftlinge: Bis zu 70 Prozent mehr Geld hinter Gittern - Bundesverfassungsgericht setzt neue Maßstäbe
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Deutliche Lohnerhöhungen für Häftlinge: Bis zu 70 Prozent mehr Geld hinter Gittern - Bundesverfassungsgericht setzt neue Maßstäbe

Ab Juli 2025 erhalten Strafgefangene in mehreren Bundesländern spürbar höhere Löhne für ihre Arbeit im Gefängnis. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2023, das die bisherige Praxis als verfassungswidrig einstufte. Zwei Bundesländer – Bayern und Nordrhein-Westfalen – waren durch Klagen von Gefangenen gezwungen worden, ihre Vergütungssysteme zu überarbeiten.

Die Richter in Karlsruhe urteilten, dass Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger nicht mit dem Resozialisierungsauftrag des Strafvollzugs vereinbar seien. Die betroffenen Bundesländer mussten ihre Regelungen bis spätestens zum 30. Juni 2025 anpassen.

NRW und Bayern mit deutlichen Aufschlägen

In Nordrhein-Westfalen steigt ab Juli der Tagessatz für arbeitende Häftlinge von etwa 15 auf 25,12 Euro – ein Anstieg von rund 67 Prozent. Zusätzlich erhalten die Inhaftierten vier zusätzliche freie Tage.

Auch Bayern passt die Entlohnung an: Der Landtag beschloss am Mittwoch eine Erhöhung des Stundenlohns von 2,02 auf 3,37 Euro – das entspricht einem Plus von 68 Prozent.

Weitere Bundesländer planen ähnliche Schritte

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entfaltet bundesweite Wirkung. Da die Entlohnung in den Justizvollzugsanstalten deutschlandweit auf ähnlichem Niveau liegt, bereiten sich viele weitere Bundesländer auf Nachbesserungen vor. Ein Großteil der Länder rechnet mit einer Anhebung von bisher etwa 9 auf rund 15 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aller Rentenversicherten.

Hamburg setzt die Vorgabe ab Juli bereits um und erhöht die Entlohnung um rund zwei Drittel. In Berlin soll nach der Sommerpause eine Lohnsteigerung von 70 Prozent beschlossen werden: Statt bisher 2,50 Euro erhalten Gefangene künftig 4,25 Euro pro Stunde.

Gesetzentwürfe und Planungen in weiteren Ländern

In Sachsen-Anhalt liegt ein Gesetzentwurf zur Anpassung der Gefangenenvergütung bereits seit mehreren Monaten vor. In Niedersachsen, Thüringen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz befinden sich entsprechende Vorlagen noch in der Bearbeitung. In Hessen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland sollen die neuen Regelungen ab Anfang 2026 in Kraft treten. Sachsen plant die Gesetzesänderung im Laufe des kommenden Jahres.

Gefängnisarbeit als Einnahmequelle für Länder

In Bayern beliefen sich die Einnahmen aus der Arbeit von Gefangenen im vergangenen Jahr auf rund 34,3 Millionen Euro. Laut Justizminister Georg Eisenreich deckten diese Erlöse etwa fünf Prozent der Gesamtkosten des bayerischen Justizvollzugs, die sich 2024 auf rund 661 Millionen Euro beliefen.

Arbeitspflicht und Beschäftigungsbereiche im Strafvollzug

In den meisten Bundesländern besteht für Inhaftierte eine gesetzlich verankerte Arbeitspflicht. Die Gefangenen werden unter anderem in Werkstätten, Küchen oder Wäschereien eingesetzt. Die Bezahlung erfolgt je nach Anforderungsprofil der Tätigkeit und Qualifikation des Häftlings in gestaffelten Vergütungsstufen – bisher lagen diese zwischen einem und drei Euro pro Stunde. Die neuen Regelungen sollen nicht nur die Bezahlung verbessern, sondern auch dem verfassungsrechtlich gebotenen Ziel der Resozialisierung gerecht werden.

 

Prozesslawine in Deutschland: Rekordzahlen bei Verfahren und Verfahrensdauer
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Prozesslawine in Deutschland: Rekordzahlen bei Verfahren und Verfahrensdauer

Die Justiz in Deutschland sieht sich einer wachsenden Flut an Strafverfahren gegenüber. Im Jahr 2024 wurden rund 5,84 Millionen Straftaten bundesweit registriert. Besonders auffällig: Die Zahl der Gewaltdelikte stieg auf 217.277 Fälle, was einem Anstieg von 1,5 Prozent entspricht.

Die deutschen Staatsanwaltschaften verzeichneten insgesamt etwa 5,5 Millionen neue Fälle. Besonders betroffen ist Nordrhein-Westfalen mit 1.270.996 Verfahren – rund 40.000 mehr als noch 2022. Auch in anderen Bundesländern zeigt sich ein deutlicher Anstieg: In Hessen wurden 418.278 neue Fälle registriert, in Berlin 364.654 – ein Zuwachs von 11.000 innerhalb von zwei Jahren. Schleswig-Holstein kam auf 185.149 neue Verfahren, Baden-Württemberg auf 595.719 – 30.000 mehr als zwei Jahre zuvor.

Zusätzlich zu den bekannten Fällen kommen jährlich mehrere Hunderttausend Ermittlungen gegen unbekannte Tatverdächtige hinzu, die ebenfalls die Arbeitsbelastung der Justiz erhöhen.

Rekord bei offenen Fällen

Mit der wachsenden Zahl neuer Verfahren steigt auch die Zahl der offenen Ermittlungsfälle. Insgesamt meldeten die Staatsanwaltschaften 931.207 unerledigte Verfahren – ein neuer Höchststand.

In Niedersachsen stieg die Zahl offener Verfahren auf 76.111, knapp 10.000 mehr als noch vor zwei Jahren. Bayern meldete 83.433 offene Fälle, Nordrhein-Westfalen 255.245. Auch kleinere Bundesländer sind betroffen: In Mecklenburg-Vorpommern waren 18.495 Verfahren noch nicht abgeschlossen, in Thüringen 28.757, in Brandenburg 36.674 und in Hamburg 47.953.

Diese Zahlen zeigen, wie stark die Justiz zunehmend unter Druck gerät, die wachsenden Aktenberge zu bewältigen.

Verfahrensdauer steigt bundesweit

Die hohe Zahl an offenen Fällen wirkt sich unmittelbar auf die durchschnittliche Dauer der Verfahren aus. Fast überall in Deutschland verlängert sich die Bearbeitungszeit.

Brandenburg verzeichnete als einziges Bundesland einen leichten Rückgang der Verfahrensdauer – von 2,5 auf 2,4 Monate. In Nordrhein-Westfalen stieg die durchschnittliche Dauer seit 2022 jährlich um 0,1 Monate auf nunmehr 2,1 Monate.

In Hessen verlängerte sich die durchschnittliche Verfahrensdauer von 2,3 auf 2,7 Monate. Rheinland-Pfalz verzeichnete einen Anstieg von 1,5 auf 1,9 Monate, Thüringen von 2,2 auf 2,6 Monate. In Berlin erhöhte sich die Dauer leicht auf 2,1 Monate, Schleswig-Holstein meldete einen Anstieg auf 2,2 Monate.

In Bremen blieb die Verfahrensdauer stabil bei 2,3 Monaten, während Niedersachsen einen Anstieg von 1,6 auf 1,8 Monate verzeichnete. Die Tendenz zeigt: Schnellere Verfahren bleiben die Ausnahme.

Aufsehenerregende Prozesse im Fokus

Die steigende Dauer und Komplexität vieler Verfahren wird auch an prominenten Prozessen deutlich. So sorgte 2025 unter anderem der Prozess gegen die mutmaßliche RAF-Terroristin Daniela Klette für Aufmerksamkeit. Ihr spektakulärer Auftritt vor Gericht – begleitet von großem Medieninteresse – verdeutlicht die Herausforderung, der sich Gerichte bei besonders komplexen Fällen gegenübersehen.

Erfolgreiche Abschlüsse trotz Überlastung

Trotz der dramatischen Zunahme an Verfahren gelang es den deutschen Staatsanwaltschaften und Gerichten, im Jahr 2024 knapp fünf Millionen Verfahren abzuschließen. Dies geschah durch Einstellungen, Verurteilungen oder Freisprüche.

Allein in Nordrhein-Westfalen wurden 1.258.413 Verfahren beendet. In Rheinland-Pfalz waren es 266.006 abgeschlossene Fälle, Hessen schloss 418.218 Verfahren ab. Sachsen-Anhalt meldete 149.023 abgeschlossene Ermittlungen, Bremen 76.790.

Dieser Einsatz der Ermittler und Richter zeigt, dass die Justiz trotz enormer Belastung versucht, den Berg an Verfahren nicht weiter anwachsen zu lassen. Dennoch bleibt die Gesamtlage angespannt.