Die Freie Demokratische Partei (FDP) steckt seit der Bundestagswahl 2021 in einer kontinuierlichen Abwärtsspirale. Wahlniederlagen reihten sich aneinander, und inzwischen steht sogar der Parteivorsitzende Christian Lindner unter Beschuss. Er befindet sich in einer Zwickmühle: Soll er den Kurs innerhalb der Ampelkoalition fortsetzen oder einen drastischen Schritt wagen und die Koalition verlassen?
Die Wahl der FDP 2021 und die Folgen
Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte die FDP 11,4 Prozent der Stimmen, ein solides Ergebnis, das den Weg zur Bildung der ersten sogenannten Ampel-Bundesregierung in der Geschichte Deutschlands ebnete – in einem Bündnis mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen. Doch was mit hohen Erwartungen begann, hat sich für die FDP als politischer Albtraum herausgestellt. Seitdem zeigt der Trend für die Liberalen nur nach unten. Der jüngste Tiefpunkt: Bei der Landtagswahl in Thüringen verfehlte die FDP am Sonntag mit lediglich 1,1 Prozent der Stimmen den Einzug ins Parlament. In Sachsen fiel die Partei sogar auf 0,9 Prozent und wurde damit statistisch kaum noch messbar. Statt um wertvolle Landtagssitze kämpften die Liberalen in beiden Bundesländern mit der Tierschutzpartei um hintere Plätze im Bereich der "Sonstigen".
Aufarbeitung der Wahldebakel: Die Reaktion der Parteiführung
Die Aufarbeitung dieses doppelten Wahl-Debakels hat bereits begonnen. Vizeparteichef Wolfgang Kubicki ging in die Offensive und verkündete auf X (vormals Twitter), dass die Ampelkoalition ihre "Legitimation verloren" habe und der FDP "definitiv schade." Diese harten Worte zeigen, dass innerhalb der Partei eine tiefere Spaltung über die Beteiligung an der Ampelkoalition herrscht. Auch Thomas Kemmerich, der ehemalige Kurzzeit-Ministerpräsident Thüringens und Spitzenkandidat in dieser Wahl, ließ kein gutes Haar an der Koalition: "Die Ampel schadet in meinen Augen Deutschland, sie schadet Thüringen und sie schadet der FDP. Sie wird auch weiterhin großen Schaden anrichten." Die Regierung helfe nur "den Populisten auf der linken und rechten Seite", sagte er bei der Pressekonferenz am Tag nach der Wahl-Klatsche.
Die Basis kritisiert: "Trümmerkurs" der Partei
Innerhalb der FDP-Basis wird der Ruf nach einem klaren Schnitt immer lauter. Besonders die Gruppierung "Weckruf" fordert drastische Maßnahmen: Entweder solle die FDP aus der Ampel-Regierung austreten oder Parteichef Christian Lindner solle zurücktreten. In einem Schreiben, das an mehrere Medien ging, heißt es: "Wir respektieren und achten Ihren Einsatz für die Rückkehr der FDP in den Bundestag. Wenn Sie nun aber nicht erkennen, dass Sie uns mit einem Fortführen dieses Trümmerkurses wieder hinausführen, bitten wir Sie zu gehen."
Zerrissene Partei: Die Lage innerhalb der FDP
Diese internen Konflikte zeigen, wie gespalten die Partei wirklich ist. Die "Weckruf"-Gruppe hatte bereits im Herbst des vergangenen Jahres eine Mitgliederbefragung über den Austritt aus der Regierung angestoßen. Obwohl eine knappe Mehrheit der teilnehmenden FDP-Mitglieder sich in der für die Parteispitze nicht bindenden Abstimmung dagegen aussprach, wird das Thema nun wieder neu verhandelt.
Lindners Dilemma: An der Ampel festhalten oder Austritt wagen?
Bundesfinanzminister Christian Lindner, der seit der Bundestagswahl als Gesicht der FDP in der Bundesregierung agiert, hält weiterhin an der Ampelkoalition fest. Trotz der Niederlage in Thüringen und den schlechten Wahlergebnissen in anderen Bundesländern betont Lindner, dass die Beteiligung an der Regierung "selbstkritisch aufgearbeitet" werden müsse. Bei der Pressekonferenz nach der Wahl stellte er klar, dass ein Koalitionsaustritt derzeit nicht zur Debatte steht. Unterstützung erhält er dabei von Fraktionschef Christian Dürr, der den Funke-Zeitungen sagte: "Nach einem bitteren Wahlabend hinzuwerfen und sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist keine Option für die FDP."
Strategie für die kommenden Wahlen: Hoffnung auf Brandenburg?
Zumindest vorerst scheint die Parteiführung auf Zeit zu spielen. Eine endgültige Entscheidung über den Verbleib in der Ampelkoalition soll erst nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September fallen. Lindner betonte, dass eine umfassende Aufarbeitung erst danach möglich sei. Doch die Frage bleibt: Wie ergebnisoffen wird diese Aufarbeitung tatsächlich sein? Ist der Austritt aus der Bundesregierung eine realistische Option? Oder hat die Partei den richtigen Moment verpasst und muss nun noch ein Jahr mit der ungeliebten Koalition ausharren?
Dramatischer Abwärtstrend: Die Wahlergebnisse der FDP seit 2021
Seit der Bundestagswahl 2021 hat die FDP keinen einzigen großen Wahlerfolg mehr verbuchen können. Bei der Landtagswahl im Saarland 2022 konnte sie zwar Stimmen gewinnen, für den Einzug ins Parlament reichte es jedoch nicht. Ähnlich verliefen die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen: Die FDP schaffte zwar den Einzug, verlor aber viele Sitze. In Niedersachsen (Oktober 2022), Bayern und Berlin flog die Partei sogar ganz aus den Landtagen. In Bremen und Hessen gelang der Einzug nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde. Bei der Europawahl im Juni 2023 konnte die FDP mit 5,2 Prozent ihr Ergebnis von 2019 zwar halten, aber die folgenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen markierten weitere Tiefpunkte.
Personaldebatte und Führungsfragen: Ist Lindner noch der Richtige?
Angesichts dieser dramatischen Entwicklung wäre eine Personaldebatte nicht überraschend. Doch abgesehen von der Basis-Initiative wagt sich in der Partei kaum jemand aus der Deckung. Christian Lindner hat seine Position als Parteichef weiterhin fest im Griff. Doch die Frage bleibt: Kann er die Partei wirklich aus dieser Krise führen? Der Finanzminister befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits kritisiert er regelmäßig die eigene Regierungskoalition, andererseits argumentiert er gegen einen Austritt, weil dies der deutschen Wirtschaft schaden könnte. "Die deutsche Wirtschaft muss zurück auf den Erfolgspfad. Deshalb werden wir nicht zulassen, dass es zu Verzögerungen oder Verwässerungen bei unserer Wachstumsinitiative kommt," betonte er.
Uneinigkeit in der Ampel: Wer blockiert wen?
Die Zusammenarbeit in der Ampelkoalition ist alles andere als harmonisch. Während die FDP frustriert über ihre Koalitionspartner SPD und Grüne ist, gibt es umgekehrt ebenfalls viel Unmut. Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, kritisierte die Liberalen scharf und warf ihnen vor, zentrale vereinbarte Projekte zu blockieren. "Von Parteien, die krachend am Einzug in Landtage gescheitert sind, werde man sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen," so Kühnert.
Mögliche Szenarien für die Zukunft der FDP
Die Situation für die FDP bleibt verzwickt. Ein Austritt aus der Ampelkoalition könnte kurzfristig bei frustrierten Wählern gut ankommen. Aber ein solcher Schritt könnte auch negative Folgen haben, insbesondere wenn die FDP dafür verantwortlich gemacht wird, Deutschland in ein politisches Chaos zu stürzen. Andererseits könnte die Fortsetzung der Regierungsarbeit in der Ampel ebenfalls riskant sein. Sie erfordert erhebliche Überzeugungsarbeit, um die enttäuschte FDP-Wählerschaft wieder zu mobilisieren. Die aktuellen Umfragewerte, die die Partei um die Fünf-Prozent-Marke schwanken lassen, machen deutlich, wie schwierig diese Aufgabe ist.