In den Fluren des Bundestags gibt es ein dominierendes Gesprächsthema: Der designierte Kanzler Friedrich Merz (69, CDU) will den Sommerurlaub der Abgeordneten deutlich verkürzen. Ziel ist es, noch vor der Sommerpause wichtige gesetzliche Weichenstellungen vorzunehmen. Dafür sollen die Parlamentsferien gekürzt oder zumindest verschoben werden.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereitet sich bereits auf einen „arbeitsintensiven Sommer“ vor – so beschreibt es Merz selbst. Unterstützung bekommt er unter anderem von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (54) und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei (51, CDU).
Turbo-Start für die neue Regierung
Hintergrund des Vorstoßes ist die Notwendigkeit, zentrale Vorhaben der neuen Bundesregierung möglichst rasch umzusetzen. Angesichts einer schwächelnden Konjunktur und steigender sozialer Spannungen will Merz ein starkes Signal setzen: Politik muss handeln – und zwar sofort.
„Die neue Bundesregierung wird mit Hochdruck an die Arbeit gehen“, betonte Thorsten Frei gegenüber BILD. „Jetzt kommt es darauf an, schnell die nötigen Impulse zu setzen, damit die Wirtschaft wieder ins Laufen kommt.“
Die bisher festgelegte letzte Sitzungswoche des Bundestags endet offiziell am 11. Juli 2025. Doch laut Merz könnte es zusätzliche Sitzungswochen bis tief in den Juli geben. Frei weiter: „Ob die terminierten Sitzungswochen ausreichend sind oder es weiterer Sitzungen bedarf, wird zu prüfen sein. Klar ist: Bis zum Sommer müssen die wichtigsten Weichen gestellt sein.“
So funktioniert die Terminplanung im Bundestag
Doch kann ein Kanzler oder eine Fraktion einfach beschließen, dass der Bundestag länger arbeiten muss? Rechtlich gesehen ist das durchaus möglich. Der Bundestag legt seinen Sitzungskalender selbst fest – üblicherweise geschieht dies im sogenannten Ältestenrat. Dort sitzen neben der Bundestagspräsidentin auch deren Stellvertreterinnen und -vertreter sowie Vertreter aller Fraktionen.
Eine Sprecherin von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (52, CDU) erklärte dazu auf Anfrage: „Seine Sitzungswochen legt der Bundestag selbst fest. Dabei wird zunächst versucht, im Ältestenrat Einvernehmen über einen Sitzungsplan zu erzielen.“ Sollte eine Einigung dort scheitern – etwa durch Widerstand der Opposition – könne auch das Plenum selbst über die Verlängerung der Sitzungszeit entscheiden. Dann gelte das Mehrheitsprinzip.
Mit einer Mehrheit von CDU/CSU und gegebenenfalls verbündeten Fraktionen wäre eine Verlängerung also durchaus durchsetzbar.
Alter Sitzungskalender hinfällig
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der bisherige Sitzungskalender für 2025 keine bindende Wirkung mehr hat. Die damaligen Planungen stammen noch vom alten Bundestag – und damit einer ganz anderen politischen Konstellation. Der neue 21. Bundestag ist nicht an diese Planungen gebunden. „Sie sind Makulatur“, heißt es aus dem Präsidium des Bundestags.
Das gibt der neuen Regierung zusätzliches Gestaltungsspielraum – auch wenn das für viele Abgeordnete unangenehm sein dürfte. Denn viele hatten bereits Urlaube oder Familienzeiten eingeplant.
Schnelles Handeln soll Handlungsfähigkeit demonstrieren
Friedrich Merz sieht in der Verkürzung der Ferien vor allem ein strategisches Signal: Die Regierung unter seiner Führung will nicht nur reden, sondern handeln. Gerade in der Anfangszeit einer neuen Regierung sei es wichtig, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit zu schaffen – sowohl in der Bevölkerung als auch an den Märkten.
Besonders im Fokus stehen wirtschaftspolitische Maßnahmen. Angesichts der stagnierenden Konjunktur, einer hohen Inflation und Herausforderungen in der Energieversorgung sollen gezielte Reformen und Konjunkturimpulse auf den Weg gebracht werden. Konkrete Gesetzesinitiativen wurden noch nicht genannt, doch aus Fraktionskreisen heißt es, es werde an mehreren „Startpaketen“ gearbeitet.
Opposition sieht Vorstoß kritisch
Während die CDU/CSU den Vorstoß begrüßt, regt sich bei der Opposition bereits Unmut. SPD und Grüne zweifeln daran, ob zusätzliche Sitzungen kurzfristig sinnvoll seien. Ein Abgeordneter der Grünen sagte hinter vorgehaltener Hand: „Das klingt nach Aktionismus. Gesetzgebung braucht Qualität – und dafür braucht es Zeit.“
Andere wiederum wittern einen symbolpolitischen Schachzug. „Merz will zeigen, dass unter seiner Führung alles schneller geht – aber ob das dann auch bessere Gesetze bringt, bleibt abzuwarten“, so ein SPD-Parlamentarier.
Parlamentsferien als Politikum
Die Diskussion um die Länge der Parlamentsferien ist nicht neu. Schon in früheren Jahren wurde immer wieder darüber gestritten, ob der Bundestag zu lange pausiert. Kritiker monieren, dass die parlamentarische Arbeit durch lange Ferienphasen ins Stocken gerät – Befürworter verweisen hingegen auf die intensive Arbeit in den Wahlkreisen und in Ausschüssen, die auch außerhalb der Sitzungszeiten weiterläuft.
In diesem Jahr jedoch scheint es besonders dringlich. Der politische Neustart unter Merz steht unter großem Erwartungsdruck. Die Bevölkerung erwartet Lösungen – und die Wirtschaft drängt auf Planbarkeit und Entlastung.
Was bedeutet das für die Abgeordneten?
Für die rund 730 Abgeordneten bedeutet der Merz-Vorstoß vor allem eines: weniger Freizeit. Gerade nach einem intensiven Wahljahr hatten viele mit einer Sommerpause gerechnet, um Kraft zu tanken und im Wahlkreis Präsenz zu zeigen.
Doch nun könnten viele dieser Pläne über den Haufen geworfen werden. In internen Kreisen ist bereits von „Frust hinter den Kulissen“ die Rede. Eine Abgeordnete aus der SPD sagte: „Ich verstehe den Druck – aber man kann doch nicht jedes Jahr die Ferien kürzen, nur weil man vorher nicht ordentlich geplant hat.“
Ob es tatsächlich zu einer offiziellen Verlängerung der Sitzungszeit kommt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Klar ist jedoch: Friedrich Merz will kein Sommerloch – sondern eine volle politische Agenda.